Es besteht kein Anlass, an den Vereinigten Staaten zu verzweifeln

Nicht, dass man auf Donald Trump Hoffnung setzen sollte. Wohl aber auf die Kraft der USA, die sogar einen Ungehobelten zu ändern und zu prägen vermögen.

Das gestrige „Quergeschrieben“ von Sibylle Hamann veranlasst dazu, ihre neun apodiktisch formulierten Thesen, aufgrund derer sie meint, der Präsidentschaftswahlkampf in den USA ließe einen verzweifeln, mit Fußnoten zu versehen. Nicht, dass ihr in Bausch und Bogen widersprochen werden soll. Aber es tut in der Regel gut, Befunden skeptisch zu begegnen, die mit erregter Emphase erstellt werden.

Es ist keineswegs neu, dass die in den USA geführten Wahlkämpfe vom alten Europa aus mit Erstaunen und von manch naiver Seite aus sogar mit Entsetzen wahrgenommen werden. Wirklich Sorgen machen muss man sich aber nicht, wenn man sich an die vielen seit jeher mit allen nur denkbaren schlimmen Fouls und peinlichen Pannen geführten Wahlkämpfe erinnert: Beginnend mit den ziemlich hinterhältigen Tricks John F. Kennedys und seines Clans gegen den damaligen Favoriten, Richard Nixon, den Kennedy buchstäblich im eigenen Schweiß verlieren ließ, bis hin zum blamablen Auszählungsroulette beim Präsidentschaftsduell zwischen George W. Bush und Al Gore im Jahr 2000.

All das haben die USA unbeschadet überstanden. Daher sollte man auch beim diesjährigen Wahlkampf die Theatralik, die Überzeichnungen, die zum Teil hanebüchenen Äußerungen der Kandidaten mit stoischer Gelassenheit zur Kenntnis nehmen. Die USA sind so fest in der von ihren Gründervätern dekretierten Verfassung verankert, dass keiner der von Sibylle Hamann aufgelisteten Punkte daran rütteln könnte. Zum Verzweifeln an den USA besteht kein Anlass. Vor allem nicht vonseiten der Kritiker, die ihren Degout mit Moralismus verbrämen.

Es mag sein, dass sich Hamann an die in seinem ersten Wahlkampf als Lichtgestalt präsentierte Figur Barack Obamas erinnert, wenn sie diesen mit dem sich wie ein Rüpel gebärdenden Donald Trump vergleicht und deswegen an den USA zu verzweifeln vorgibt.

Aber die hehren Worte „Hope“ und „Yes we can“ des damaligen Hoffnungsträgers sind an der bitteren Realität zerschellt. Nichts von der besseren Welt, die er seinen Mitbürgern und auch – damals an der Siegessäule in Berlin – den Europäern versprochen hatte, wurde Wirklichkeit. Es trat sogar das Gegenteil von dem ein, was er rhetorisch gekonnt in Kairo, damals noch unter der Regentschaft von Hosni Mubarak, unter dem Schlagwort „A New Beginning“ verkündete. Der Sieger eines „sauberen“ Wahlkampfs muss nicht notwendig ein guter Präsident sein.

Der Umkehrschluss ist natürlich unzulässig, massive Vorbehalte gegen Donald Trump sind ganz legitim. Doch diese werden, dessen darf sich Hamann gewiss sein, in den USA viel klarer, viel schärfer und mit viel größerer Debattierlust geäußert, erwogen und für richtig oder falsch befunden, als es in manchen der Wahlauseinandersetzungen in einem europäischen Land üblich ist.

Schließlich sei noch als Fußnote zu Hamanns Thesen angemerkt, dass einer der besten Präsidenten der Vereinigten Staaten der vergangenen 50 Jahre in der Zeit, als er noch als möglicher Kandidat der Republikaner gehandelt wurde, von der sich ach so intellektuell gebenden Elite diesseits und jenseits des großen Teichs als Gottseibeiuns verdammt wurde.

Ronald Reagan war kein sonderlich erfolgreicher Filmschauspieler und alles andere als ein zart besaiteter Intellektueller. Aber er war jener Präsident, in dessen Ära die Zerrüttung der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten – befördert wohl auch durch Reagans Drohungen mit der Strategischen Verteidigungsinitiative (SDI) vulgo „Star Wars“– offen zutage trat. Er war jener Präsident, der in Berlin in Richtung Osten die Worte „Mr. Gorbachev, tear down this wall!“ rief – und tatsächlich: Ein Jahr nach seiner Präsidentschaft verschwand die Mauer.

Nicht, dass man deshalb auf Trump irgendeine Hoffnung setzen sollte. Wohl aber darf man hoffen, dass die Vereinigten Staaten nach den eher lähmenden Jahren Obamas wieder kluge und kraftvolle politische Akzente setzen werden.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker

an der TU Wien und betreibt mit seiner Frau und Kollegen
der TU Wien das Projekt math.space im Wiener
Museumsquartier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2016)

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