Von Scharlatanen, die die Leute mit Blendwerk zum Narren halten

Auf die Unterschriften von hundert oder mehr Experten kann man gut und gern verzichten, wenn ein einziges schlagendes Argument genügt.

Viel zu oft verblendet berechtigter Ärger. So geschehen Ende vergangener Woche, als weit mehr als hundert namhafte Ökonomen in einem Brief an die Bildungsministerin „mit großer Verwunderung“ festgestellt haben, dass der landesweit bekannte politische Aktivist Christian Felber in einem vom Bildungsministerium approbierten Schulbuch „in eine Riege mit John Maynard Keynes, Karl Marx, Milton Friedman (nicht ,Friedmann‘) und Friedrich August von Hayek gestellt wird“.

Schon tobt der Sturm im Wasserglas: Auf der einen Seite gespeist aus der Empörung, dass Schulbuchverfasser einen blutigen Laien, der „über keine ökonomische Ausbildung verfügt und keine wirtschaftswissenschaftliche Publikation vorweisen kann“, in einem Atemzug mit den Autoren von „Das Kapital“ oder „Der Weg zur Knechtschaft“ nennen. Auf der anderen Seite losgebrochen von dem diesen Ärger offenkundig genießenden Christian Felber, der in einer öffentlichen Stellungnahme mit der ihm eigenen Selbstsicherheit theatralisch schmollt, die sich gegen seine Person Richtenden würden in Wahrheit perfide darauf zielen, dass aus dem Schulunterricht „die Gemeinwohlökonomie gestrichen werden soll“, jene in der Bastelstube von Fantasten entwickelte Theorie, mit der Felber die Menschheit vor ihrem Untergang retten will.

Es sei an dieser Stelle betont: Christian Felber ist in der Tat ein ökonomischer Wirrkopf. Würde man seinen weltfremden Maximen folgen, gelangte man flugs in eine horrende Diktatur. Doch der Wunsch nach Verbannung seines Namens aus einem Schulbuch erzeugt bloß Wirbel, verdeckt das eigentliche Problem, spricht es nicht an.

Der Protestbrief der Experten an die Bildungsministerin zielt nämlich daran vorbei, was Schule und guter Unterricht leisten sollten. Es wäre viel besser, hätten die protestierenden Ökonomen verlangt, dass man sehr wohl die kruden Thesen Felbers im Schulbuch erwähnen kann. Ihr Verschweigen schadet höchstens. Denn sie werden von Felber, dem selbst ernannten Erlöser der vom Kapital Geknechteten, und der Schar seiner Jünger missionarisch als Frohbotschaft verbreitet. Die Erwähnung Felbers sollte aber mit der Aufforderung verbunden sein, dass die Schulbuchautoren die sogenannte Gemeinwohlökonomie nach Strich und Faden einer vernichtenden sachlichen Kritik unterwerfen.

Dass dies verständlich und nachvollziehbar durchgeführt werden kann, bewies in der „Presse“ vor vier Jahren Michael Amon mit dem wunderbaren Artikel „Wie man sich ein Weltbild richtig zurechtbiegt“. Die Aufnahme einer Stellungnahme wie dieser würde den Wert des Schulbuchs in ungeahnte Höhen treiben. Denn der Artikel ist ein sprachliches Juwel, und er regt zu weiterer Auseinandersetzung mit dem Thema an. Was kann man sich in der Schule mehr wünschen?

Es kommt folglich nicht darauf an, dass hundert Experten noch einen Brief unterschreiben, in dem sie ersuchen, die Verbreitung einer ihnen nicht genehmen Theorie zu verbieten, noch dazu mit dem fadenscheinigen Argument, der Vertreter dieser abgelehnten Theorie entspreche nicht den formalen Kriterien ihrer Zunft.

Was besagen denn hunderte Unterschriften? Sie könnten alle irren – das ist in der Geschichte der Wissenschaft schon vorgekommen. Es reicht vielmehr aus, wenn es einer einzigen Person gelingt, schlüssig die Haltlosigkeit der Theorie zu begründen.

Leider vertrauen nur wenige diesem einleuchtenden Argument. So kommt es zur Legion von Beispielen, beginnend beim Aberglauben der Astrologie bis hin zur irrationalen Verteufelung gentechnischer Forschung an Nahrungsmitteln, dass ein Scharlatan mit dem Verbreiten wohlklingender, aber haltloser Klischees die Bevölkerung zum Narren halten kann. Weil es keiner wagt, ihm lauthals sachlich zu widersprechen und die Öffentlichkeit vom Unsinn der von ihm verbreiteten Heilslehre zu überzeugen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker

an der TU Wien und betreibt mit seiner Frau und Kollegen
der TU Wien das Projekt math.space im Wiener
Museumsquartier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2016)

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