Höchste Zeit, dass Frauen die Zugkraft der Mathematik entdecken

Der nächste Woche stattfindende Girls' Day gibt die Gelegenheit, im math.space in Wien Mathematik als attraktives Studium für beide Geschlechter zu präsentieren.

Heute in einer Woche findet in Österreich der sogenannte Girls' Day statt. Die Idee stammt aus den USA. „Take our daughters to work“ lautet dort das Motto, demzufolge Schülerinnen ihre Eltern, Verwandten oder Bekannten an deren Arbeitsplatz besuchen und so einen Einblick in deren berufliche Tätigkeit bekommen. Vor allem sollen die Mädchen und jungen Damen attraktive Arbeitsstätten kennenlernen, die in früheren Zeiten Frauen aus unsinnigen Vorurteilen heraus fast gänzlich verschlossen waren.

Zu diesen zählen Berufsfelder, die mit Mathematik verwoben sind – insbesondere Berufe der Technik, der Ingenieurdisziplinen, der Naturwissenschaften, auch der Finanzbranche: Vor Jahrzehnten wagten nur einzelne mutige Studentinnen, sich in das Heer der Maschinenbauer oder Physiker, der Ökonomen oder gar der Mathematiker einzugliedern. Dies hat sich seither gottlob gewandelt.

Aber immer noch eilt vor allem den Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) der Ruf voraus, dass es sich bei ihnen um männliche Domänen handle. Man sollte keine Gelegenheit auslassen, diesem törichten Klischee zu widersprechen.

Bemerkenswerterweise dürfte in einigen Epochen der Antike die Mathematik den Frauen ohne Weiteres offen gestanden sein. Pythagoras von Samos, der Begründer der Mathematik, soll eine Frau als Liebling unter allen seinen Schülern gehabt haben: Theano von Kroton, von der überliefert ist, dass auch ihre Töchter der Schule des Pythagoras angehörten.

Am Ende der Antike leitete die universell gebildete Mathematikerin Hypatia die berühmte Bibliothek von Alexandria, das damalige geistige Zentrum der Welt. Sie war eine beeindruckende Gelehrte, unterrichtete Schüler ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts, wobei sie just wegen ihrer liberalen Haltung ein tragisches Schicksal erleiden musste.

Dennoch stechen bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts nur wenige Frauen unter der Schar der Mathematiker hervor: Emilie du Châtelet, Maria Gaetana Agnesi, Sophie Germain, Ada Lovelace, Sophia Kowalewskaja, Emmy Noether, Olga Taußky und einige andere wären zu nennen. Doch ist ihre Zahl im Vergleich zu der ihrer männlichen und ihnen ebenbürtigen Kollegen klein.

Heute stimmt das gottlob nicht mehr. Es waren nur hartnäckige dumme Stereotype, die einst Frauen den Zugang zur Mathematik erschwerten. Gegenwärtig dürfen wir uns freuen, dass immer mehr Studentinnen das Studium der Mathematik oder eines Faches, dem die Mathematik als Grundlage dient, ergreifen und darin erfolgreich sind.

Freuen dürfen wir uns deshalb darüber, weil sich hieraus ein zweifacher Gewinn ergibt: einerseits für die Absolventinnen, weil sie sich einem begeisternden Fach verschrieben haben, das ihnen eine sinnerfüllte und zugleich wirtschaftlich vielversprechende Karriere ermöglicht. Die einer Lehrerin ist dabei nur eine, sicher nicht gering zu schätzende, aber eben doch nur eine unter vielen anderen von ihnen.

Andererseits sind sie ein Gewinn für die Gesellschaft, weil wir viele in Mathematik und ihr verwandten Disziplinen gut ausgebildete Persönlichkeiten benötigen, die für den in der Wirtschaft nötigen innovativen Schwung sorgen. Jede Frau, die Eignung und Neigung dafür besitzt, aber den Schritt zu einem dieser Studien doch nicht wagt, fügt der Gesellschaft ein Manko zu.

Um solche Ausfälle zu vermeiden, findet anlässlich des Girls' Day am 28. April um 14.30 Uhr im math.space im Wiener Museumsquartier die Veranstaltung „Mathematik als attraktives Studium für Frauen“ statt. Die Dozentinnen Monika Dörfler und Maria Charina von der Universität Wien werden von der Zugkraft der Mathematik überzeugen und dem Publikum das Studium und die Karrierechancen für Frauen in der Mathematik beschreiben. Auf dass nagender irriger Selbstzweifel vertrieben werde.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker

an der TU Wien und betreibt mit seiner Frau und Kollegen
der TU Wien das Projekt math.space im Wiener
Museumsquartier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2016)

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