Bei der Zentralmatura in Österreich läuft so manches schief

Es soll sie geben: zentral gestellte Prüfungsaufgaben, die der Kontrolle dienen. Aber sie gehören in ihrem Ausmaß vermindert und durch anderes ergänzt.

Dem Bundesinstitut für Bildungsforschung, kurz Bifie genannt, dürfte es nur recht sein: Das Bildungsministerium, so berichtet die APA, veröffentlicht die gesammelten Ergebnisse der heurigen Zentralmatura, insbesondere die eher gedämpften des Fachs Mathematik, erst Ende Juni.

Eigentlich sollte man erwarten, dass nur in Ausnahmefällen – aufgrund langer Krankheit oder außerordentlicher psychischer Belastungen – Maturanten bei dieser Prüfung versagen. Denn zwölf Jahre lang wurden sie zuvor in Mathematik unterrichtet. Sie gelangten bis zur letzten Schulstufe, die Abschlussklausur sollte eigentlich nur die Bestätigung des bisher gedeihlichen Lernens sein. Von einer solchen Erfolgsquote ist aber heuer keine Rede. Schon allein deshalb läuft bei der Zentralmatura im österreichischen Format etwas schief. Verbesserung tut not.

Dem aber verweigert sich das Bifie. „Wir sind übereingekommen“, hieß es vom Bifie-Direktor, „in den ersten drei Jahren nichts zu ändern. Wenn man jetzt schon anfängt, an den Inhalten zu schrauben, ist ja nicht mehr herausfindbar, welche möglichen Probleme rein an der Organisation liegen oder ob sich bestimmte Dinge nicht ohnehin mit der Zeit einspielen.“ Denn bei Änderungen müsse „die Community eingebunden werden und die Wissenschaft“.

Mit anderen Worten: Die Schicksale der Maturanten des nächsten Jahres sind dem Bifie herzlich egal. Nur Community und „Wissenschaft“ (dieses Wort ist ausdrücklich unter Anführungszeichen gesetzt, weil ich unter Wissenschaft etwas ganz anderes verstehe) sind dem Bifie wichtig. Wenn die Maturanten kommender Jahrgänge nicht darauf warten können, bis sich „bestimmte Dinge“ (welche denn?) „ohnehin mit der Zeit einspielen“ – ihr Pech.

Da ist es kein Wunder, dass dem Bifie auch das Fach Mathematik herzlich wenig bedeutet. In dem fulminanten Artikel „Zentralmatura: Wider die Mathematik als Kunst des Kostümierens“ belegen Hans-Jürgen Bandelt und Walther Janous, welche groben Schäden die derzeit geübte Form der Zentralmatura in Mathematik anrichtet. Neben den von ihnen genannten sei als besonders schlimmer jener hervorgehoben, der den Ruf der Mathematik betrifft. Wenn allein für Beispiele im Bifie-Format gelehrt und gelernt wird – und aller die anderen und zum Schluss sich selbst betrügenden Ausflüchte der Didaktiker zum Trotz läuft darauf der Unterricht hinaus –, bleibt ein Zerrbild der Mathematik zurück.

Diejenigen, die die Bifie-Beispiele problemlos lösen, erblicken in ihr nichts intellektuell Anspruchsvolles. Diejenigen aber, die an den Bifie-Beispielen scheitern, verabscheuen das Fach. Beides tut der Stellung der Mathematik in der Gesellschaft nicht gut.

Dass die sogenannte vorwissenschaftliche Arbeit einerseits und die mündliche Prüfung andererseits den notwendigen Ausgleich schaffen würden, ist eine haltlose Ausrede: Denen Mathematik schmackhaft zu machen, die sich ohnehin für sie interessieren, ist eine unnötige Übung. Es kommt aber auf die vielen anderen an, die noch nicht wissen, wie bedeutsam und attraktiv Mathematik ist.

Für sie sind Bifie-Aufgaben nicht das Mittel der Wahl. Sie dienen ja nur der Kontrolle, sie gehören vermindert und durch anderes ergänzt.

Dass eine teilzentrale Matura den Königsweg darstellt, wurde hier schon mehrfach moniert. Ich belasse es bei diesem Hinweis. Kluge Vertreter anderer Fächer kritisieren das Bifie-Format der Tests ja ebenso. Individualität und Kreativität kommen zu kurz.

Es ist eine Anekdote, vielleicht erfunden, sicher ein extremes Beispiel, aber bezeichnend: „Der Einfluss der Neuen Welt (Amerika) auf die Alte“ wurde vor mehr als 130 Jahren als Thema einer Deutschklausur gestellt. Der Kandidat Richard Engländer, der sich später Peter Altenberg nannte, schrieb nur ein einziges Wort: „Kartoffeln.“ Und er kam durch. Damals hat es eben noch kein Bifie gegeben.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner ist Mathematiker und Betreiber des math.space im quartier 21, Museumsquartier Wien.

(Print-Ausgabe, 02.06.2016)

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