Beim Thema Matura ist es gar nicht so übel, den Ball flach zu halten

Ein paar Gedankensplitter zur neuen Zentralmatura: Ein guter Unterricht ist weitaus wichtiger als eine auf welche Weise auch immer konzipierte Prüfung.

„Man war sichtlich bemüht, den Ball flach zu halten.“ Mit diesen Worten begann Bernadette Bayrhammer in der „Presse“ ihren Bericht über die Haltung des Bildungsministeriums bei der Veröffentlichung der Resultate der schriftlichen Zentralmatura. Aus dem Bemühen, den Ball flach zu halten, entnahm die Berichterstatterin offenkundig die Scheu des Ministeriums vor lauthals ertönender Kritik.

Sicher sind zügige Verbesserungen bei der Zentralmatura vorzunehmen, doch mit klugem Augenmaß. Drei Gedankensplitter dazu seien hier genannt:

Erstens und am wichtigsten: Die meisten Schülerinnen und Schüler in der AHS haben nun bereits zum zweiten Mal und in der BHS bei der Premiere die bei der neu gestalteten Matura vorgelegten Aufgaben erfolgreich bewältigt – viele von ihnen mit guten oder sogar ausgezeichneten Noten. Sie sollen sich darüber freuen und wir uns mit ihnen.

Denn ihre Matura war kein Kinderspiel, sondern verlangte einiges an Können ab. Ich kann jedenfalls in dem von mir vertretenen Fach bestätigen, dass die Beispiele, gemessen an den Vorgaben, an denen sich die Ersteller dieser Aufgaben zu halten hatten, ein für eine Reifeprüfung angemessenes Niveau besaßen. Ich stimme meinem Kollegen Werner Peschek zu, dass es gut war, weniger Routine und mehr Verständnis zu prüfen. Dass daran der eine oder die andere beim ersten Durchgang scheiterte, soll keineswegs als Katastrophe betrachtet werden.

Eine Fußnote dazu: Für Verbesserungen bei den Aufgaben gibt es trotzdem viel Luft nach oben. Und ein Vorschlag: Nicht die im Elfenbeinturm der Wissenschaft hausenden Didaktiker, sondern die Praktiker, also die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Vertreter von Institutionen, die künftig mit den Absolventen konfrontiert sein werden, sollten beim Erstellen der Aufgaben das entscheidende Wort haben.

Zweitens: Die Idee einer zentral gestellten schriftlichen Abschlussprüfung ist gut, weil damit ungerechtfertigter Bevorzugung oder Benachteiligung ein Riegel vorgeschoben wird. Allerdings verlangt dies, wie der Bundesschulsprecher Maximilian Gnesda konsequent zu Ende gedacht gefordert hat, eine objektive Korrektur und Beurteilung, die nicht von jener Person vorgenommen werden darf, die die Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Unterricht kennt. In den französischen Lycées ist dies gang und gäbe: Die Prüfungsarbeiten aus der französischen Schule von Wien werden anonymisiert zu einem Amt nach Straßburg geschickt und von dortigen Beamten benotet. „Plus de courage!“, „Traut euch!“, darf man in diesem Sinn den Erfindern der neuen österreichischen Matura zurufen.

Auch in diesem Punkt eine mir sehr am Herzen liegende Fußnote: Obwohl Frankreich die zentralen Prüfungen seit vielen Jahrzehnten geradezu zelebriert, ist die Zahl seiner Nobelpreisträger im Vergleich zu anderen Nationen relativ klein. Will sagen: Das Bildungsniveau dürfte durch die Einführung rigoroser, zentral durchgeführter Tests nicht notwendigerweise steigen.

Vom Direktor einer Wiener AHS erfuhr ich: Die dortigen Mathematiklehrer paukten einzig und allein die typischen Teil-1-Aufgaben. Damit erreichten sie immerhin, dass praktisch alle Antretenden mit Genügend durchkamen, aber nicht mehr. Und das Verständnis für Mathematik selbst geht vor die Hunde. Also ein zwar pragmatischer Zugang, auch ein Erfolg, aber mit üblem Beigeschmack. All dem und vielen anderen Nachteilen entkäme man mit einer teilzentralen Matura. Aber darüber wurde hier schon ad nauseam gepredigt.

Drittens: Es ist beim Thema Matura gar nicht übel, den Ball flach zu halten. So wichtig, dass sie Schlagzeilen in Zeitungen hervorruft, ist eine solche Prüfung ja auch wieder nicht. Ein guter Unterricht ist weitaus wichtiger als eine auf welche Weise auch immer konzipierte Prüfung. Darum Schluss der Worte darüber – für meine „Quergeschrieben“ im Juli und August verspreche ich das.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker

an der TU Wien und betreibt mit seiner Frau und Kollegen
der TU Wien das Projekt Math.space im Wiener
Museumsquartier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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