Bühne frei für den PISA-Schock Acht Thesen, an das Schultor genagelt

Wer den Wirbel mag, der mag auch das periodisch wiederkehrende Theater rund um PISA. Für eine gute Schule genügt das nicht. Was wir brauchen, sind wirksame Initiativen für eine bessere Schule.

Am 7. Dezember wird das Geheimnis gelüftet. Aber Gerüchte gelangen von Ohr zu Ohr, die für Österreichs Schulen Schlimmes verheißen: Die Leistungen unserer Kinder beim Lesen, in Mathematik und bei Sachfragen sind erbärmlich.

Die Bühne ist frei für den PISA-Schock. Aber was beim Wehklagen danach meist aus dem Blickfeld gerät, sei schon jetzt angesprochen.

Erstens: Allein, dass ein riesiges Brimborium um die Geheimhaltung veranstaltet wird – wehe, wehe, irgendjemand Offizieller kommentiert etwas vor dem 7.12. –, entlarvt PISA als Zirkus mit viel Blendwerk. Denn rein sachlich spricht nichts dagegen, wenn man schon vorher über Einzelresultate Bescheid wüsste. Nur der Knalleffekt ginge verloren.

Zweitens: Den Schülerinnen und Schülern ist bewusst, dass ihre Leistung beim PISA-Test keinesfalls in die Schulnoten einfließt. Was Wunder, wenn da die meisten den Test auf die leichte Schulter nehmen. Denn für die wirklich wichtigen Prüfungen muss man sich genug anstrengen. Wie erinnerlich, gab es während der Testphase sogar den Aufruf zum Boykott.

Drittens: Man kennt es schon vom sogenannten Intelligenztest: Gut konzipierte Tests mögen vage Rückschlüsse auf die Intelligenz der Probanden zulassen. Aber eigentlich misst der Test nur, wie gut ihn jemand bewältigt. Mehr nicht. Ebenso misst der PISA-Test nur, wie gut ihn jemand bewältigt. Mehr nicht. Ob er Rückschlüsse auf das Wissen und Können der jungen Leute erlaubt, steht auf einem anderen Blatt.
Viertens: Selbst wenn PISA das Wissen und Können der Probanden messen könnte – Folgerungen über die Qualität des Schulsystems lassen sich daraus keinesfalls zwingend ziehen. Denn viele andere gesellschaftliche Umstände abseits der Schule – unter ihnen vor allem die verschiedenen familiären Hintergründe – beeinflussen massiv den Wissenserwerb.

Fünftens: Ein Test, bei dem weltumspannend die gleichen Fragen gestellt und die gleichen Probleme aufgeworfen werden, ein Test, der Dutzende unterschiedliche Schulsysteme, Lehrpläne, Sprachen brutal über einen Kamm schert, verliert sich im Bildungs-Niemandsland. Der hohe Anspruch von PISA ist zugleich sein tiefer Abgrund.

Sechstens: Weitaus wichtiger als das Abschneiden bei PISA ist, ob die Absolventen unserer Schule für das Leben gut gerüstet sind, in der Wirtschaft, den Betrieben, den weiterführenden akademischen Instituten bereitwillig aufgenommen werden, gute Chancen auf eine erfolgreiche Karriere haben. Dies ist hierzulande – um nur ein Beispiel zu nennen – bei den Höheren Technischen Lehranstalten in der Regel der Fall.

Siebentens: Es wäre ein Wunder, würde Österreich beim nächsten Test als PISA-Sieger glänzen. Selbst dann, wenn inzwischen die Einführung des besten aller möglichen Schulsysteme gelänge. Dazu folgen die Tests in viel zu kurzen zeitlichen Abständen. Darum wäre es ein guter Ratschlag, an den nächsten paar Testläufen nicht teilzunehmen. Einerseits ersparten wir uns unnötige Aufregung, andererseits ersparten wir uns viel Geld. Denn gratis ist PISA nicht.

Achtens: PISA rüttelt auf, behaupten seine beredten Verteidiger. Das stimmt. Doch diese Botschaft sollte längst angekommen sein. Dazu brauchen wir kein weiteres PISA. Sondern wirksame Initiativen für die bessere Schule.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2010)

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