Sicherheit und Freiheit in einem klug ausgewogenen Maß forcieren die Schule

Zweifelt der Staat an der Lehrerschaft, schränkt er den Freiraum von Schulen ein. Die Zukunft der österreichischen Schulen hängt allein davon ab, wie gut die künftige Lehramtsausbildung gelingt.

Am Rädchen der Dienstzeit für Lehrerinnen und Lehrer zu drehen und alles andere so zu belassen, wie es ist, bringt die Schule nicht voran. Dieser Satz stand in der Überschrift meines letzten „Quergeschrieben“. Mit Recht stellten mir einige Leserinnen und Leser die Frage: Was bringt Schule tatsächlich voran? Mein Antwort: Sicherheit und Freiheit in einem klug ausgewogenen Maß.

Schule gibt Sicherheit erstens den ihr anvertrauten Kindern und deren Eltern: Dass sie davon ausgehen können, von Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet und erzogen zu werden, deren fachliche Kenntnisse einerseits und deren pädagogisches Geschick andererseits außer Frage stehen.

Schule gibt Sicherheit zweitens den in ihr wirkenden Lehrkräften: Indem sie Schule als Wirkungsstätte mit einem wohldurchdachten, erprobten und harmonisch abgestimmten Regelwerk mit gut eingespielten zeitlichen und räumlichen Strukturen empfinden, die ihrer Arbeit zuträglich sind.

Schule gibt Sicherheit drittens dem Staat und der Gesellschaft: Weil in der guten Schule den jungen Menschen Fertigkeiten und Kenntnisse fachgerecht so vermittelt werden, dass diese staatsbürgerliches Bewusstsein erlangen und dafür gerüstet sind, sich in der modernen Welt zu bewähren, aussichtsreiche Berufe zu ergreifen und zuversichtlich ihre persönliche Zukunft zu gestalten.

Schule braucht Freiheit erstens, um nachhaltig sowohl die Charakterbildung als auch die Talente junger Menschen fördern zu können. Es wäre lächerlich, hierfür ein rigides Raster vorzugeben. Und statt Lehrpläne „entrümpeln“ zu wollen – was schon seit Jahrzehnten versprochen wurde –, wäre es sinnvoller, ganz auf sie zu verzichten. Zentrale Prüfungen bei Schulabschluss, mit denen das Beherrschen der Mindest- und Regelanforderungen bestätigt wird, genügen vollauf.

Schule braucht Freiheit zweitens, um der Vermittlung der Begeisterung der Lehrerinnen und Lehrer für ihr Fach freien Lauf lassen zu können. Jedenfalls, sobald es nicht mehr um das Einüben von Fertigkeiten geht, sondern um Bildung: sowohl um intellektuelle, wie auch um emotionale, um soziale, ja sogar um handwerkliche und sportliche Bildung.

Schule braucht Freiheit drittens, um ein jeweils eigenes, ihre besonderen Vorzüge und Angebote berücksichtigendes Profil erstellen zu können. In diesem dokumentiert sie, welche Schwerpunkte sie in der Bildung und Ausbildung der Schülerinnen und Schüler setzt.

Der ad nauseam geführte Streit zwischen der Gesamtschule einerseits, der Aufteilung der Kinder mit zehn Jahren auf zwei Schultypen andererseits erübrigte sich, wenn eine bunte Palette verschiedener Schulformen vorläge und es jederzeit problemlos möglich wäre, je nach Eignung und Neigung des Kindes von der einen zur anderen Schule zu wechseln. Die vom Staat verlangten (und nur einen geringen Teil des Unterrichts bildenden) Mindest- und Regelanforderungen an Kenntnissen und Fertigkeiten wären ja von jeder Schule zu gewährleisten.

Freiheit erfordert verantwortungsvolle und urteilsfähige Lehrerinnen und Lehrer. Zweifelt der Staat an ihnen, schränkt er den Freiraum von Schulen ein. Doch dadurch werden sie nicht besser. Folglich hängt die Zukunft von Österreichs Schulen nur davon ab, wie gut die künftige Lehramtsausbildung gelingt.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2012)

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