Auch Sie können Hoflieferant werden! Aber leicht ist es nicht

Die Republik Österreich quält ihre Kleinunternehmer mit sinnlosen Vorschriften, wo immer es nur geht. Der Zwang zur elektronischen Rechnung ist ein Lehrstück.

Die Regierung ringt um ihre Steuerreform. Eine Entlastung der arbeitenden Menschen soll sie bringen. Wobei mit „arbeitenden Menschen“ wohl „Arbeitnehmer“, also Angestellte gemeint sind. Eventuell wird auch an Unternehmer gedacht. Aber damit sind „Arbeitgeber“ gemeint, Großbetriebe also, internationale Konzerne oder die eng mit der Politik verflochtenen heimischen Platzhirsche.

Wer garantiert nicht vorkommen wird bei der Entlastung: die zigtausend Selbstständigen in diesem Land. Jene Klein-, Mini- oder Ein-Personen-Betriebe, die Politiker gern „das Rückgrat der heimischen Wirtschaft“ nennen, wenn gerade Kammerwahlen anstehen. Man preist unsere Flexibilität, Kreativität, persönlichen Einsatz. Man freut sich, dass wir von niemandem Urlaubsgeld, bezahlten Krankenstand oder Biennalsprünge fordern und dass wir nie jammern (stimmt, wir haben dafür schlicht keine Zeit). Aber statt uns dafür zu loben, legt uns der Staat einen Stein nach dem anderen vor die Füße. Zum Selber-Wegschleppen.

Ein Beispiel: Seit heuer dürfen Menschen, die mit einer staatlichen Institution Geschäfte machen, keine normale Rechnung mehr schicken. Egal, ob sie belegte Brötchen liefern, Glühbirnen einschrauben, Seminare halten, putzen oder Texte schreiben – sie müssen eine E-Rechnung legen. Für diese braucht man eine Handysignatur (erhältlich durch persönliche Vorsprache am Magistrat), eine Anmeldung bei Finanz-Online (durch persönliche Vorsprache am Finanzamt) sowie eine Registrierung beim Unternehmensserviceportal der Wirtschaftskammer. Allzu einfach darf man sich letztere Prozedur nicht vorstellen – immerhin gibt es mehrere Info-Websites, die einen mehrfach im Kreis schicken, und man hat eine Hotline eingerichtet.

Diese beschäftigt eine Vielzahl an freundlichen Beraterinnen und Beratern, die tagein, tagaus nichts anderes tun, als verzweifelte Kleinunternehmer – Installateure, Trainerinnen, Caterer, Reinigungskräfte und Autorinnen – bei der Hand zu nehmen und behutsam am Rande des Nervenzusammenbruchs entlangzuschleusen.

Um dem Staat Österreich belegte Brötchen zu verrechnen, braucht man nämlich eine bestimmte Art Computer (für Apple ist die Software nicht optimiert), eine bestimmte Art Webbrowser (mit manchen funktioniert die USP-Anmeldung nicht) sowie einen personalisierten Handyvertrag.

Anders formuliert: Um vom Staat jene 30 oder 300 Euro zu kriegen, die einem vertraglich zustehen, muss man nicht nur zusätzliche (unbezahlte) Arbeitsstunden investieren, sondern auch willkürliche Bedingungen erfüllen. Man stelle sich das kurz umgekehrt vor: Der Staat will meine Einkommensteuer einheben. Okay, sagt die Kleinunternehmerin– aber dafür muss der Staat nächsten Samstag persönlich bei mir vorsprechen, in Gestalt eines 54-jährigen Mannes bitte, mit Bart und gelbem Sakko. Gelbes Sakko haben Sie keins? Kein Problem! Ich berate Sie gern, wo Sie sich eins kaufen können!

Beinahe grenzt es ans Absurde: Alle Wirtschaftstreibenden in diesem Land, Firmen, Vereine, Freiberufler, kommen wunderbar damit zurecht, einander Rechnungen auszustellen – per Post, per Mail, handgeschrieben, maschinengetippt oder softwaregeneriert. Am Ende kriegt (fast) jeder sein Geld überwiesen. Nur der Staat besteht auf eine Spezialbehandlung. Verlangt von allen Dienstleistern eine formelle Anmeldung, einen Sonderstatus, den man sich erst erwerben muss. Erinnert das nur mich an den Titel des k.u.k.Hoflieferanten?

Am Ende jedenfalls schafft es der Staat wieder einmal, viele Menschen damit zu beschäftigen, Probleme zu lösen, die es ohne seine Vorschriften gar nicht erst gegeben hätte. Gut für ihn, dass er dafür ausgelagerte Abteilungen und eigene Budgetposten hat. Gut für ihn, dass er die Kosten dafür anderen (nämlich uns Steuerzahlern) wieder rückverrechnen kann. Pech für alle Kleinbetriebe, dass sie halt alles selber machen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Sibylle Hamann
ist Journalistin

in Wien. Vor Kurzem wurde sie für ihr „Quergeschrieben“ mit dem Titel „Der Straßenverkehr und wir: Eine Anleitung zum Unglücklichsein“ vom 12. Juni 2013 mit dem Winfra-Preis ausgezeichnet. Dieser Preis wird von den Wiener Stadtwerken für gelungene

journalistische Arbeiten zu Infrastrukturfragen vergeben.

Hamanns Website:

www.sibyllehamann.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2014)

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