Wenn Freiheitliche eine Reise tun, können sie viel erzählen

Die Tschetschenien-Mission von Johann Gudenus und Johannes Hübner ist eine ausbaufähige Idee. Hier noch ein paar weitere Vorschläge zur Horizonterweiterung an die reisefreudigen FPÖ-Politiker.

Sehr geehrter Herr Gudenus, sehr geehrter Herr Hübner!

Wir freuen uns sehr über Ihr Interesse an dem schönen Land Tschetschenien. Insbesondere sind wir beeindruckt, in welch kurzer Zeit Sie sich ein umfassendes Bild der Lage ebendort machen konnten. Ihre erfrischende Unvoreingenommenheit hat uns die Aufgabe, Ihnen die Weltsicht des Präsidenten näherzubringen, sehr einfach gemacht – bei anderen Kunden, die von unnötigen Recherchen belastet auf solche Reisen gehen, kostet uns das ungleich mehr Mühe.

Vielen Dank für Ihre Offenheit und für Ihren Mut, sich vom Mainstream zu emanzipieren! Da es mit Ihnen in Grosny eine derartige Freude war, dürfen wir Sie hiermit zu weiteren Ausflügen aus unserer Reihe „Verkannte Regimes, verschmähte Paradiese“ einladen und möchten wir Sie ermuntern, auch hier wieder als Berichterstatter für Menschenrechte zur Verfügung zu stehen!

Sicher haben Sie schon einmal von Weißrussland gehört. Alexander Lukaschenko, ein Mann des Friedens, wird sich sehr freuen, Sie kennenzulernen und Ihnen zu zeigen, was „Ruhe im Land“, zu Ende gedacht, bedeuten kann – und wie erlösend dieser Zustand für alle Bürger ist. Mit etwas Glück können Sie sich auf dieser Reise sogar persönlich davon überzeugen, wie ein paar Oppositionelle einander zufällig auf der Straße begegnen – aber spontan beschließen, sich wieder zu zerstreuen, wegen offensichtlicher Unbegründetheit ihrer Bemühungen.

Sicher ebenfalls interessant für Sie: Turkmenistan, ein leider allzu oft missverstandener Modellfall echter, direkter Volksdemokratie. Das lässt sich schon auf den ersten Blick erkennen, denn Präsident Gurbanguly Berdimuhamedov wird von seinen Bürgern so sehr verehrt, dass sie ihm spontan an jeder Straßenecke vergoldete Statuen errichten, und in jedem Taxi und jedem Restaurant sein Bild aufhängen. Das kommende Wochenende bietet Ihnen die Gelegenheit, sogar eine Wahl live zu erleben: Der Präsident wird Ihnen persönlich enthüllen, wie viele Stimmen er erhalten wird, und sogar seine Gegenkandidaten stehen bereitwillig zur Verfügung, ihre unbedingte Loyalität zum Präsidenten kundzutun. Wir würden uns freuen, wenn Sie, quasi als Vertreter des freiheitlichen Auslands, den demokratischen Modellcharakter dieser Wahl umgehend bestätigen könnten!

Wenn Sie für eine Horizonterweiterung außerhalb des Kontinents bereit sind, dürfen wir Ihnen Simbabwe ans Herz legen. Wir ersuchen Sie hierbei, allfällige Erwartungshaltungen kurz beiseitezulassen und sich auf dieses Wagnis einzulassen, denn seien Sie versichert: Präsident Robert Mugabe ist, trotz seiner Hautfarbe, ein Mann, der Ihnen gefallen wird! Ein Machthaber mit sicherem Instinkt, unbeirrbar in seinem Gestaltungswillen, unkorrumpiert von internationaler Meinungsmache, nervigem Gutmenschengetue und selbstgerechten Menschenrechtsfuchtlern. Was den Umgang mit Homosexuellen, Asozialen und Ausländern betrifft, setzt dieser Präsident neue Standards, deren Überzeugungskraft Sie sich nur schwer werden entziehen können!

Herr Gudenus, Herr Hübner – bitte teilen Sie uns Ihre nächsten Reisewünsche umgehend mit, damit wir rechtzeitig alle Vorbereitungen treffen können. Bei Gelegenheit reden wir dann auch noch über Nordkorea!

Ihr Team von „Freiheitlich reisen“.


Reaktionen senden Sie bitte direkt an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2012)

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