Kirchliche Feiertage als hohes Gut – auch für die Ausgetretenen

Österreich ist Spitzenreiter bei kirchlichen Feiertagen, trotz sinkender Zahl an Christen. Ein Anlass, über den Sinn unserer christlichen Kultur nachzudenken.

Es naht wieder die Zeit der Feiertage: Ostern steht vor der Tür, Pfingsten – und jene Feiertage, die stets auf einen Donnerstag fallen und vielen zusätzlich einen freien Fenstertag bescheren. Wie hießen diese Feiertage nochmal? Und was wird da eigentlich gefeiert? Egal, es sind arbeitsfreie Tage, noch dazu in der schönsten Jahreszeit.

Die genannten Feiertage haben gemeinsam, dass es sich um kirchliche Festtage handelt. Österreich ist europaweit Spitzenreiter bei seinen Feiertagen: Es gibt allein elf kirchliche Feiertage, die nicht auf einen Sonntag fallen und laut Kollektivvertrag arbeitsfrei sind. Dazu kommen noch die gesetzlichen und die Landesfeiertage. Für evangelische Christen sind noch der Karfreitag und der Reformationstag arbeitsfrei, da diese für sie eine besondere Bedeutung besitzen. Und da sind wir bereits beim springenden Punkt. Warum sind die kirchlichen Feiertage eigentlich arbeitsfrei?

Rein rechtlich gesehen sehr einfach: Weil es im Konkordat zwischen Staat und katholischer Kirche so geregelt wurde. Die Bestimmung wurde dann in die Kollektivverträge übernommen. Doch die Frage führt weiter: Warum wurden diese Tage eigentlich als arbeitsfreie Tage von der Kirche eingefordert? Nun, um dem dritten Gebot zu folgen und den Christen die Möglichkeit zur Religionsausübung zu geben. Denn für sie ist dies ein gebotener Feiertag mit Besuch des Gottesdienstes.

Heute stellt sich die Situation etwas anders dar als zu der Zeit, als das Konkordat geschlossen wurde: Die Zahl der Christen schrumpft, jene von Menschen ohne religiöses Bekenntnis steigt. Der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung beträgt in Österreich derzeit 65 Prozent, in Wien sind es nur mehr 39 Prozent. Im Vergleich dazu gelten in Italien, mit einem Katholikenanteil von 80 Prozent, nur sechs katholische Feiertage im Jahr als arbeitsfrei, in Spanien, mit immerhin 73 Prozent Katholiken, gar nur fünf.

Der Wirtschaft sind die vielen gesetzlichen Feiertage in Österreich schon lange ein Dorn im Auge, ebenso die Sonntagsruhe. Die Produktion stehe zu oft still, es müssten hohe Zuschläge bezahlt werden. In seltenem Einvernehmen mit der Kirche verteidigt die Gewerkschaft seit je die katholischen Feiertage und den arbeitsfreien Sonntag. Selbst jene, die sonst heftig gegen „Kirchenprivilegien“ auftreten und am liebsten alles, was an Religion erinnert, aus dem öffentlichen Leben entfernen wollen, sind für die Beibehaltung dieser Feiertage.

Denkt man die Sache zu Ende, stellt sich die Frage, wieso Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind oder nie einer Religionsgemeinschaft angehört haben, an einem kirchlichen Feiertag frei haben sollen? Und warum müssen Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften, wie etwa Muslime, an ihren Feiertagen arbeiten? Die Muslime und auch die jüdische Gemeinde fordern ebenfalls ihre eigenen Feiertage ein.

Natürlich kann man einwenden, dass der größere Teil der Christen nicht jeden Sonn- und Feiertag zum Besuch des Gottesdienstes nützt. Aber wenn ich ostentativ nichts mit der Kirche zu tun haben will, wieso dann die Feiertage konsumieren?

Da bin ich bei einem Stichwort, warum die Sonn- und Feiertagsruhe nicht nur für religiöse Menschen von großer Bedeutung ist: Diese Tage sind Inseln inmitten von Hektik und dem Mangel an gemeinsam mit der Familie oder Freunden verbrachter Zeit. Sie zeugen von einem anderen, ganzheitlichen Menschenbild, das den Menschen nicht nur auf den Zweck, auf das Materielle reduziert. Vor allem zu Weihnachten und Ostern besuchen viele Menschen Gottesdienste, die sonst keine Kirche betreten.

Die religiösen Feste erinnern daran, dass das Leben nicht allein auf Arbeit und Konsum ausgerichtet sein sollte. Die kirchlichen Feiertage sind kostbar und sie sind Gelegenheiten, in unserer immer rasender werdenden Welt zur Besinnung zu kommen. Sie aufzugeben, wäre ein immenser kultureller Rückschritt.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt. www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2014)

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