„Nahost“ ist mitten in Europa, es droht akute Ansteckungsgefahr!

Europa leidet an Immunschwäche. Internationale und außereuropäische Konflikte werden hier durch Zuwanderer zu Infektionsherden inmitten der Gesellschaft.

Die Meldungen der letzten Tage und Wochen schockieren, reißen uns aus der sommerlichen Erholung und Idylle. Da ist einmal der schreckliche Bürgerkrieg in Israel. Das – beschönigende – Schlagwort „Nahost-Konflikt“ begleitet uns seit Jahrzehnten. Der Krieg war aber immer etwas Fernes, er berührte uns nicht unmittelbar. Und dann kommt es im Pongau (!) zu einer Rauferei zwischen Israelis und türkischstämmigen Österreichern, zu Anti-Israel-Demos in Wien, Beschimpfungen. Damit ist der Konflikt mitten in Österreich. In Frankreich herrschte in einem Provinzstädtchen plötzlich Pogromstimmung. Und die politisch sehr korrekten Deutschen haben es zu ihrem Entsetzen wieder mit „Juden raus“-Geschrei zu tun.

In Syrien tobt ebenfalls ein Bürgerkrieg mit Gewaltexzessen der Regierung gegen die eigenen Bürger. Aus Tschetschenien sind Tausende in den letzten Jahren geflüchtet, ebenso aus dem Irak, wo Islamisten Glaubensbrüder und Christen terrorisieren und vertreiben. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Viele Asylwerber kommen aus den Kriegsgebieten zu uns und werden da wohl auch bleiben.

Zuwanderer und Flüchtlinge bringen ihre Kulturen, aber auch Traumata und Ressentiments mit. Wie lange diese nachwirken, kann man etwa an den Flüchtlingen des Balkankrieges ablesen. Sie stoßen hier auf ein Werte-Vakuum. Es wird auch nichts von ihnen verlangt, nicht vorgegeben, wie sie sich einordnen können. Vielmehr transportieren viele ihre Ideologien mitten in die europäische Gesellschaft. Diese werden über Generationen bewahrt, teilweise gesteigert. So berichtet der französische Botschafter in Wien, dass junge algerischstämmige Franzosen viel anfälliger für religiös-extremistische Parolen seien als ihre Väter. Hassprediger tragen ungehindert Ressentiments aus ihren Herkunftsländern in friedliche europäische Städte und Gemeinden. Junge Muslime aus Europa melden sich freiwillig zum Kampf bei Fundamentalisten in Nahost.

Die EU hat sich als Wirtschaftsprojekt etabliert, eine Wertedebatte hat man stets vehement abgelehnt, wie man etwa an der Diskussion über die Verankerung des Gottesbegriffes in der Verfassung studieren konnte. Die Mitgliedsländer der EU verfolgen mehrheitlich einen Multikulti-Kurs. Die Integrationsbemühungen sind von enden wollendem Erfolg, wie man etwa kürzlich an der Wahlkampftour des türkischen Premiers anschaulich vor Augen geführt bekam. Erdoğan gelang es, seit Jahrzehnten in Mittel- und Westeuropa ansässige Türken aufzuwiegeln und so in den Nahost-Konflikt hineinzuziehen.

Dass das nicht so weitergehen kann, wird mit jedem Vorfall deutlicher. Europa muss sich wieder als Friedensprojekt etablieren, und zwar nach außen und nach innen. Dazu braucht es gemeinsame Werte, die ja vorhanden sind, jedoch aus verschiedensten Gründen in den Hintergrund gedrängt wurden. Einer davon ist eine falsch verstandene Toleranz. Ich kann Martin Engelberg nur zustimmen, der an dieser Stelle an die Warnung des emeritierten Papstes Benedikt vor dem Relativismus in Europa erinnert hat. Man kann anderen Kulturen nur dann echten Respekt entgegenbringen, wenn man von einem fest gefügten eigenen Wertekanon ausgeht. Und es ist dringend geboten, dass auch wir Respekt vor unseren Werten einfordern. Das sind nicht nur religiöse Werte, sondern auch die Achtung vor der Würde der Frau und die Respektierung der Regeln des demokratischen Rechtsstaates. Es gibt Grenzen, die bei allem „Multikulti“ und „buntem“ Zusammenleben, wie es die Grünen bewerben, nicht überschritten werden dürfen. Es ist noch nicht so lange her, dass wir in Europa uns auf diese Regeln geeinigt haben. Nun laufen wir Gefahr, diese leichtfertig aufzugeben oder von Angehörigen anderer Kulturen, die hier ansässig werden, unterlaufen zu lassen.

Wenn wir in Europa den importierten (Irr-)Lehren nichts entgegenzusetzen haben, verhalten wir uns wie ein Patient, der an einer Immunschwäche leidet und keine Therapie zulässt. In ihm breiten sich Krankheitserreger ungehemmt aus.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2014)

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