Kein Platz mehr für „Bambini“: Italien als Albtraum für Familien

Österreich hat seit Jahrzehnten viel unternommen, um Familien zu stützen und zu fördern. In Italien und Spanien hingegen hat „die Mama“ ein schweres Los.

Als ich diese Kolumne übernommen habe, habe ich mir fest vorgenommen, nicht nur zu kritisieren, sondern auch Positives hervorzuheben. Nachdem ich bereits einige Male die Familienpolitik unserer Regierung in einzelnen Punkten kritisiert habe, möchte ich sie nun einmal loben!

Der Sommer ist eine gute Zeit, um über den Tellerrand in andere Länder zu blicken. Interessant ist da ein Ländervergleich in Europa im Hinblick auf die Familienpolitik. Wir schauen dabei stets nach Norden in die in dieser Hinsicht vorbildlichen skandinavischen Länder, jedoch nie in den Süden. Hier aber bietet sich ein völlig anderes Bild.

Nehmen wir einmal Italien, unser liebstes Urlaubsland. Bei uns herrscht das Klischee vor, die Italiener seien besonders kinderfreundlich, „die italienische Mama“ gilt als Inbegriff von Familie und Geborgenheit. Dieses Bild stammt aus den 1960er-Jahren, inzwischen hat sich die Situation völlig gewandelt. Seit die Italienerinnen zunehmend berufstätig sind bzw. aufgrund der prekären wirtschaftlichen Lage berufstätig sein müssen, wird das Gründen einer Familie immer schwieriger.

Italien hat mittlerweile die niedrigste Geburtenrate in Europa. Die Gründe dafür sind vielfältig. Da sind einmal die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die nicht gerade familienfreundlich sind: Das Gesetz schreibt fünf Monate Mutterschutz vor, eine daran anschließende Karenzzeit gibt es nicht. Es gibt auch keinen Anspruch auf Teilzeitarbeit (eine Ausnahme bildet Südtirol mit an Österreich orientierter Familienpolitik).

Das bedeutet, dass die Kinder, so sie nicht das seltene Glück einer verfügbaren Großmutter haben, bereits ab dem Babyalter ganztägig in der Krippe untergebracht werden müssen. Krippenplätze sind nicht nur rar, sondern, wenn man einen akzeptablen Betreuungsschlüssel haben will, auch extrem teuer.

Hinzu kommt, dass viele junge Menschen in Italien keine feste Anstellung erhalten, sondern nur Arbeitsverträge auf jeweils sechs Monate. Diese unsichere Situation führt dazu, dass es jungen Menschen oft unmöglich ist, eine Existenz aufzubauen, zu heiraten und Familien zu gründen. Sie wohnen zu Hause bei den Eltern, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten können.

Ganz ähnlich gestaltet sich die Situation für junge Mütter in Spanien. Nach vier Monaten ist Schluss mit der Babyzeit, Karenz gibt es nicht, ebenso wenig flexible Arbeitszeiten für junge Eltern. Fixe Stellen sind Mangelware, bei der Jugend grassiert nach wie vor Massenarbeitslosigkeit. Es gibt keine ausreichenden öffentlichen und leistbaren Betreuungsplätze, die Einkommen sind niedrig, sodass beide Elternteile voll erwerbstätig sein müssen.

Es ist ein Privileg der betuchten Oberschicht, dass Mütter ihre Kinder selbst betreuen (dürfen). Auffallend ist, dass gerade jene Länder, die jungen Familien das Leben besonders schwer machen, tief in der Wirtschaftskrise stecken. Deutschland hingegen bemüht sich seit Jahren, ein familienfreundliches Umfeld zu schaffen, Elternschaft zu erleichtern und Kinderbetreuung zu verbessern. Es ist eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder Europas.

Es wäre ein interessantes Forschungsfeld zu erkunden, ob die beiden Dinge miteinander zu tun haben. Kommen junge Leute aus Italien oder Spanien nach Österreich, sind sie erstaunt und begeistert über die vielen Maßnahmen für Familien. Es besteht jedoch die Gefahr, dass wir dabei sind, unsere familienpolitischen Errungenschaften aufzugeben und uns die falschen Länder zum Vorbild zu nehmen. Es ist offenbar nicht der richtige Weg, möglichst keine Rücksicht auf familiäre Verpflichtungen zu nehmen und jungen Menschen die Möglichkeit zu verwehren, eine familiengerechte Existenz zu gründen.

Österreichs Politik hat viel für Familien getan, nun braucht es noch eine familienfreundlichere Arbeitswelt, die zugleich auch menschenfreundlicher ist.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2014)

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