Fortpflanzungsmedizin: Es braucht eine breite öffentliche Debatte

Die Regierung will das neue Gesetz zur Fortpflanzungsmedizin möglichst rasch durch den Nationalrat peitschen: ein demokratiepolitischer Skandal!

Zurzeit beschäftigt sich die Politik mit den sensibelsten Themen einer Gesellschaft: Tod und Geburt. Während beim Sterben eine breite und wichtige Diskussion in Gang gekommen ist, will man diese beim Thema Zeugung nicht zulassen. Das neue Fortpflanzungsmedizingesetz wurde hinter verschlossenen Türen von zwei Ministern ausgehandelt und soll nun im Parlament durchgewunken werden. Das ist ein demokratiepolitischer Skandal!

Dabei geht es nicht nur um kleine Korrekturen, sondern auch um weitreichende Änderungen, die rechtlich gar nicht notwendig wären. Die Wichtigste ist, dass die Eizellenspende erlaubt werden soll. Nur in wenigen europäischen Ländern ist dies bisher der Fall, in Deutschland etwa ist sie verboten. Allein diese Neuerung wirft eine Menge wichtiger Fragen auf, die nicht beantwortet sind.

Da stellt sich etwa die Frage nach Herkunft und Identität der Kinder: Bereits die Samenspende hat gezeigt, dass es für betroffene Kinder oft schwierig ist, mit einer unklaren Herkunft zurechtzukommen. Es gibt bereits Plattformen, auf denen durch Samenspende gezeugte Jugendliche auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater und ihren Halbgeschwistern sind. Bei einer Eizellenabgabe, bei der es dann zwei Mütter gibt, wird die psychische Problematik der Kinder gravierend. Wo bleibt das Recht des Kindes auf seine Eltern, wie es in der Kinderrechtskonvention festgeschrieben ist?

Bei all dem Schmerz und Leid, das ein unerfüllter Kinderwunsch mit sich bringt: Gibt es wirklich ein Recht auf ein Kind? Und zu welchem Preis? Wird vielfach nicht neues Leid erzeugt? Eine künstliche Befruchtung ist eine körperlich und seelisch sehr belastende Prozedur: Das Hoffen und Bangen, die Hormonbehandlungen, die Untersuchungen– und all das bei relativ schlechten Erfolgsaussichten, im Schnitt liegen sie unter 20 Prozent. Zusätzlich ist das Risiko selbst bei „Erfolg“ für das Baby erheblich.

Das Wohl der Produzentinnen der Eizellen spielt für Politik und Reproduktionsmedizin offenbar keine Rolle. Die gesundheitliche Belastung und die Folgen einer Hormonbehandlung sind massiv und nicht erforscht. Die Abgeberinnen dürfen zwar kein „Entgelt“ erhalten, das ist aber ein Etikettenschwindel. In jenen Ländern, in denen Eizellen-„Spenden“ erlaubt sind, werden sie mit einer „Entschädigung“ gelockt, in Spanien um die 1000 Euro. Das ist für Frauen in prekären Lebenssituationen viel Geld. Damit steigt der Druck auf junge Frauen, ihre Eizellen zu „verkaufen“ – eine schlimme Form der Ausbeutung!

Problematisch ist auch die Erlaubnis der PID, einer Untersuchung des Embryos vor der Einpflanzung mit dem Ziel der Selektion. Dass sie, wenn sie erlaubt ist, wirklich nur in Ausnahmefällen durchgeführt wird, ist heftig anzuzweifeln. Ethisch problematisch ist die PID vor allem deshalb, weil dann das Lebensrecht von Embryonen an eine Art Qualitätskontrolle geknüpft wird. Auch kann kein Arzt mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, ob das Kind wirklich schwer beeinträchtigt sein wird oder nicht. So wird aus dem Wunschkind rasch ein Abfallprodukt. Wie gehen die potenziellen Eltern damit um?

Verdächtig ist die Eile der Politik und die Ausweitung auf die Eizellenspende – ohne Zugzwang – auch deshalb, weil es sich bei der Reproduktionsmedizin um einen wachsenden und höchst profitablen Markt handelt. Im Ruckzuck-Verfahren unter Ausschluss der Bürger wichtige Gesetze mit schwerwiegenden Folgen über Generationen zu produzieren, ist im höchsten Maß verantwortungslos und undemokratisch.

Dagegen müssen wir lautstark protestieren und die Abgeordneten aller Fraktionen auffordern, dem Gesetz so nicht zuzustimmen: Wenn Ihnen an der Reputation des Parlaments wirklich gelegen ist, dürfen Sie es nicht einfach durchnicken! Als Volksvertreter sind Sie aufgerufen, eine breite öffentliche Debatte zu ermöglichen, ja zu erzwingen!

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2014)

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