Väterkarenz: Es mangelt nicht am Willen, sondern an der Möglichkeit

Dass Väter nur selten Karenz in Anspruch nehmen, liegt weniger am Wollen als am mangelnden Verständnis vieler Arbeitgeber. Es steht die Existenz auf dem Spiel.

Frau B. hatte mit Einsatz, Fleiß, Können und Zähigkeit eine tolle Karriere in einer männerdominierten Branche hingelegt. Bis zur Direktorin einer Sparte eines der größten Industriebetriebe Österreichs hatte sie es gebracht. Seit vielen Jahren war sie glücklich verheiratet, mit 40 wurde sie schließlich schwanger. Prompt änderte sich die Lage. Ihr wurde verdeutlicht, dass sie ihren Spitzenjob selbst nach der kürzest möglichen Mutterschaftspause nicht behalten würde, sondern als bloße Sachbearbeiterin wieder von unten beginnen müsse.
Sie klagte, bekam Recht, fasste aber dennoch nicht mehr Fuß in der Firma. Ihrem Mann erging es nicht viel besser. Auch er hatte einen gut bezahlten Job. Nach seiner Ankündigung, drei Monate in Karenz gehen zu wollen, fand die Firma einen Vorwand, ihm zu kündigen.
Durch die Geburt eines Kindes wurde so ein Top-Verdiener-Paar zu arbeitslosen Eltern, die es schwer hatten, wieder an ihre Karriere anzuknüpfen. Ähnlich erging es Herrn W. Auch er erhielt bald nach der Äußerung seines Wunsches, in Karenz gehen zu wollen, die Kündigung. Bei Herrn M. genügte es schon, dass er öfter Pflegeurlaub nahm, um seine todkranke kleine Tochter betreuen zu können. Auch er wurde gekündigt.
Viele Männer wünschen sich, mehr Zeit für ihre Familie aufbringen zu können. Gerade in den ersten Lebensjahren wollen sie ihre Kinder nicht nur schlafend erleben, wenn sie spätabends von der Arbeit kommen. Sie würden auf Geld, Karrieresprünge und Prestige verzichten, um gleich wie die Mütter, die oft Teilzeitjobs wegen der Familie wählen, an der Betreuung teilhaben zu können. Es umzusetzen ist jedoch nicht so einfach, denn viele Firmen bringen gerade Männern in höheren Positionen kein Verständnis entgegen, wenn sie eine Familienzeit nehmen möchten. Dies wird als Verrat an der Firma gesehen, es darf keine anderen Prioritäten geben als den Job.
Es fehlt bei vielen Chefs immer noch die Bereitschaft, auf familiäre Verpflichtungen von Müttern, aber noch mehr von Vätern Rücksicht zu nehmen. Es mangelt daher nicht so sehr am Willen, sondern an der Möglichkeit.
Angesichts des Verzichts auf höheres Einkommen und Karriere ist es ein großes Opfer, das Eltern für die Gründung einer Familie – gerne – bringen. Männer zwingen zu wollen, in Karenz zu gehen, kann jedoch nur jemandem einfallen, der an völligem Realitätsverlust leidet. Angesichts der exorbitant hohen Arbeitslosenzahlen, der Wirtschaftskrise und zunehmender Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt wird niemand leichtfertig seinen Job aufs Spiel setzen. Schließlich geht es um die Existenz der Familie. Der Mutter deshalb auch noch einen Teil des Karenzgeldes zu streichen und sie damit zu bestrafen, dass die Firma des Mannes nicht gewillt ist, ihn in Karenz gehen zu lassen, ist nur noch absurd.
Die Frauenministerin hat offenbar keine Ahnung, wie es außerhalb der geschützten, vom Steuerzahler finanzierten Beamtenschaft zugeht. Es ist bezeichnend, dass die Väterkarenz in besonders hohem Ausmaß von Beamten in Anspruch genommen wird. Das heißt nicht, dass alle anderen nicht wollen, sondern dass sie keinen geschützten Arbeitsplatz mit Rückkehrgarantie haben.

Der lobenswerte Wille von Vätern, ihre Kinder betreuen zu wollen, kann leicht – siehe Beispiele oben – in eine finanzielle Katastrophe münden. Es ist der völlig falsche Weg, den Druck auf Väter noch zu erhöhen. Vielmehr müsste darauf hingewirkt werden, dass Arbeitgeber Karenz für Väter und Mütter nicht als „Urlaub“ und „Verrat“ betrachten, sondern als wichtige Lernerfahrung.
In der Familienphase lernen Mütter und Väter wichtige Skills: soziale Kompetenz, Verantwortungsbewusstsein, Empathie, Effizienz und den Blick fürs Wesentliche – alles wichtige Erfahrungen für eine Firma. Es braucht also weniger ein Umdenken der Väter oder gar mehr Druck auf sie, sondern es braucht ein Umdenken der Arbeitgeber!

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