Der billigere Urlaub, der uns teuer zu stehen kommt

Vielen Urlaubern werden in Quartieren und Restaurants keine Rechnungen ausgestellt. Das erspart den Inhabern Steuern, uns kann es aber eine Menge kosten.

Waren Sie heuer im europäischen Ausland auf Urlaub? Vielleicht in Griechenland, dem heurigen Hotspot für Österreich-Urlauber? Oder in Italien? Oder in Spanien? Vielleicht in einem schönen Hotel mit Vollpension und direktem Zugang zum Strand? Haben Sie bei der Abreise eine ordnungsgemäße Rechnung erhalten? Hat man Ihnen im Restaurant eine Mehrwertsteuerrechnung ausgehändigt? Wollte man unbedingt Bargeld von Ihnen oder akzeptierte man auch eine Überweisung oder eine Kreditkarte?

Hier einige Beispiele aus der Praxis: Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Sizilien in einem Appartement erhielt der Urlaubsgast statt einer Rechnung eine Papierserviette vorgelegt, auf die der Gesamtbetrag notiert worden war. Nach Bezahlung der Summe in bar nahm die Zimmervermieterin die Serviette, zerknüllte sie und warf sie in den Papierkorb. In einem zweiten Fall schlug der Taxilenker auf Kreta bei der Abholung der Gäste vom Flughafen vor, sie ohne Rechnung und dafür um zwanzig Prozent billiger in ihr Quartier zu fahren, das immerhin zwei Autostunden entfernt lag. Im Hotel bat der äußerst freundliche Besitzer um Bezahlung in bar, ohne eine Rechnung auszuhändigen. Und in den Restaurants habe man ohnehin nie eine Rechnung erhalten, berichten die Heimkehrer. Dass Griechenland-Urlauber heuer meist mit Bargeld ausgestattet anreisten, dürfte dieser Praxis Vorschub geleistet haben. Die Beispiele aus Urlauberberichten in diesem Sommer ließen sich beliebig lang fortsetzen.

Man mag es für unerheblich oder für übertrieben korrekt halten, ob man im Urlaub im Ausland darauf besteht, für alles und jedes Rechnungen zu erhalten oder nicht. Auf Umwegen kann es uns alle jedoch teuer zu stehen kommen, wenn man nicht darauf achtet.

Dies nicht nur, weil man etwa in Italien mit strengen Strafen zu rechnen hat, wenn man ohne Rechnung in der Tasche ein Geschäft verlässt. Dort fällt auf, dass zwar sogar am Strand der Eisverkäufer einen Beleg aushändigt, in den teuren Boutiquen hingegen den Kunden häufig ein Beleg vorenthalten wird. Früher, vor der Einführung einer gemeinsamen Währung in der EU, war es die Angelegenheit des jeweiligen Landes, ob es auf die Steuermoral achtete oder nicht.

Griechen berichten, dass man Steuervorschreibungen, so man sie überhaupt erhielt, nicht so ernst zu nehmen pflegte. Mit einer konsequenten Verfolgung der Steuerangelegenheit war eher nicht zu rechnen. Und wer zahlt schon freiwillig an den Staat?

Auch in Italien galt es als Volkssport, dem Staat seinen Teil am Gewinn vorzuenthalten. Schließlich bekam man auch herzlich wenig für sein Geld. Wer entrichtet gern Steuern, wenn die Bürokratie völlig versagt, Behördenwege endlos dauern, Post und Eisenbahn nicht wirklich funktionieren und man den Kranken das Essen von zu Hause ins Spital mitbringen muss?

Heute, da wir alle in einem gemeinsamen Boot sitzen, stellt sich die Frage völlig anders. Es ist legitim, dass wir Österreicher, auf die der Staat eine oft schon überzogene Steuerjagd macht und ganze Bevölkerungsgruppen unter Betrugsverdacht stellt, wenig Verständnis für derlei Praktiken haben, wie wir sie in so manchem Urlaubsland vorfinden. Es mutet etwa eigenartig an, wenn griechische Hoteliers eifrig Steuern hinterziehen und gleichzeitig die Regierungen in der EU ein Hilfspaket nach dem anderen für Griechenland schnüren. Nun kann man einwenden, es ginge vor allem um die Banken, aber für den Normalbürger ist die Optik ungünstig und die Logik besagt, dass dies höchst unfair sei.

Doch wir müssen nicht tatenlos zusehen, wir können alle etwas tun: Wir können einen Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit in Europa leisten, indem wir als Touristen und Konsumenten auf die Einhaltung der Steuergesetze achten und auf der Ausstellung von Rechnungen bestehen. Denn Steuerhinterziehung auf Kreta oder Sizilien geht uns alle etwas an. Das gilt nicht nur für das EU-Ausland, sondern auch für Österreich selbst.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

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