Achtung! Keiler unterwegs! Geschäftsmodell Spendensammeln

Hilfsorganisationen bedienen sich gern kommerzieller Firmen, um an Spenden zu kommen. Das ist zwar legal, aber dennoch ethisch fragwürdig.

Die Österreicherinnen und Österreicher werden dieses Jahr einen neuen Spenden-Rekord aufstellen. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf die Flüchtlingskrise und die große Hilfsbereitschaft hierzulande. Dabei steht die Hochsaison des Spendens noch bevor. Vor Weihnachten schwillt der Packen an Bettelbriefen in unseren Postkästen zu enormer Größe an, auf Plakatwänden, in Werbespots und in Inseraten wird uns klargemacht, dass nur großzügiges Spenden ein Anrecht auf ein frohes Weihnachtsfest bietet. Zusätzlich bedrängen uns professionelle Keiler, mit Spenden unser schlechtes Gewissen zu beruhigen.

Eine derartige Situation ist Ihnen wahrscheinlich auch schon passiert: Sie schlendern eine Einkaufsstraße entlang, plötzlich springt Ihnen ein junger Mann in den Weg. Er trägt eine knallige Jacke mit dem Logo einer bekannten Hilfsorganisation, die sich für die Umwelt, Tiere oder notleidende Menschen einsetzt, und hält ein Mäppchen samt Stift in der Hand. „Sie haben sicher auch ein Herz für Tiere/Bäume/Kinder/Menschen in Not“ – mit einem Sager dieser Art spricht er Sie an.

Sie haben nur die Wahl, ihn zur Seite zu rempeln oder sich zu einer Antwort hinreißen zu lassen. Ersteres ist unhöflich und verdirbt Ihnen die Laune, bei Zweiterem haben Sie leider auch schon verloren. Der junge Mann ist gut geschult und bald hält er Ihnen ein Formular unter die Nase, in das Sie alle möglichen Daten eintragen und dann unterschreiben sollen.

Sie wollen bloß eine einmalig Spende geben? Das gehe nicht, es sei nur ein Lastschriftverfahren möglich, werden Sie belehrt. Sie wollen einem Wildfremden nicht die Verfügungsgewalt über Ihr Konto geben? Aber man könne jederzeit widerrufen, und es sei doch für eine gute Sache! An diesem Punkt sind Sie wahrscheinlich schon verärgert und können sich vielleicht endlich loseisen. Wenn nicht, ärgern Sie sich garantiert hinterher, dass Sie sich überreden haben lassen.

Es ist mittlerweile üblich, dass nicht auf Gewinn orientierte Hilfswerke zum Eintreiben von Spenden und Anwerben von Förderern auf externe professionelle Dienste zurückgreifen. Das ist völlig legal und mag für die Hilfswerke praktisch und sinnvoll erscheinen. Ethisch bedenklich bleibt es dennoch.

Die Hilfswerke kommen nämlich auf diese Weise nicht nur an Spenden, sondern erlauben einer Firma, ihr positiv besetztes Logo und ihr Anliegen zu verwenden, um einen Gewinn zu erwirtschaften. Es schadet dem guten Ruf, wenn aggressive Werber, die das aus rein finanziellen Gründen tun, im Namen einer Hilfsorganisation auftreten. Dazu kommt, dass diese schönfärberisch als „Dialoger“ bezeichneten Keiler oft ebenfalls ausgebeutet und sehr schlecht bezahlt werden.

Ebenso bedenklich ist, wenn Spenden zur Gewinnmaximierung von Sammel-Firmen verwendet werden. Es braucht oft Monate, ja Jahre, bis das Hilfswerk, für das gesammelt wurde, etwas von dem Geld sieht. So lange dauert es mitunter, bis die Kosten für die beauftragte Firma erwirtschaftet sind. Es ist sicher nicht im Sinne der Spender, den Inhaber der Fundraising-Firma reich zu machen. Da helfen auch die schönsten Qualitätsstandards des Fundraisingverbandes nichts.

Fundraising, also Geld für Hilfsorganisationen zu erwirtschaften, ist längst ein lukratives Geschäft. Die Zeiten, als ehrenamtliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in ihrer Freizeit mit der Spendenbüchse sammelten, sind vorbei. Es ist auch nicht in Ordnung, wenn ganze Schulklassen, ausgerüstet mit Sammelbüchsen, losgeschickt werden. Dies geschieht zwar unentgeltlich, sollte aber freiwillig in der Freizeit und nicht in der Unterrichtszeit stattfinden.

Das edle Gefühl der Hilfsbereitschaft, das bei uns offenbar sehr gut für Spenden nutzbar ist, sollte nicht derart ausgenützt werden. Es wäre an der Zeit, dass sich die Hilfsorganisationen Gedanken über ihr „Geschäftsmodell“ machen und hinterfragen, ob gewinnorientierte Unternehmen der richtige Partner sind.

E-Mails an:debatte@diepresse.comZur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.