Das beliebte Bild vom "Nazi-Land" in den ausländischen Medien

Anlässlich der Präsidentenwahl wurden alte Klischees über Österreich wieder aufgewärmt. Die Urheber kruder Thesen sind meistens im Land selbst zu finden.

Vorgänge in Österreich sind in ausländischen Medien meist nur eine Randnotiz. Daher war man selbst in Journalistenkreisen erstaunt, welch enorme Aufmerksamkeit vor allem deutsche Medien der realpolitisch recht bedeutungslosen österreichischen Präsidentenwahl schenkten. Aufmacher, ja ganze Sonderbeilagen waren der Wahl im kleinen Nachbarland gewidmet.

Fast meinte man sich in die Zeit der Bildung der schwarz-blauen Regierung anno 2000 versetzt, so groß war die Aufregung, Österreich verwandle sich in ein Nazi-Land. Auch 2008, nach dem Erfolg der FPÖ bei der Nationalratswahl, sahen ausländische Medien eine „braune Gefahr“ herandräuen. Bei jedem Anlass wird das alte Klischee stereotyp wiederholt.

Wenn dies aus der Ferne, von einer Redaktion in Hamburg oder Berlin passiert, die die wirkliche Stimmung falsch einschätzt, mag man das ja noch verstehen. Dass aber Korrespondenten, die seit Jahren im Land leben, nicht mitbekommen, wie die Bürger denken, ist seltsam. An Sprachproblemen kann es nicht liegen. Vielmehr bewegt man sich wohl meistens in eng geschlossenen Intellektuellenzirkeln, lässt sich von Alt-68ern und Künstlern die Innenpolitik erklären und bemerkt offenbar nicht, dass man in einer Blase lebt. Allerdings, auch österreichische Journalisten schwingen nur leichtfertig die Nazi-Keule.

Für Intellektuelle ist es deren Recht, ja Pflicht, eine kritische Haltung einzunehmen. Einer, der sich politische Kritik zur Lebensaufgabe gemacht hat, ist der Schriftsteller Robert Menasse. Den Zustand Österreichs beschreibt er oft brillant, mit Ironie und vielen Wahrheiten, aber stets als ein hoffnungslos „braunes“ Land mit rosa Zuckerguss.

Trotz seiner vermeintlichen Deutungshoheit irrt Menasse öfter ganz gewaltig. So ortet er die Wurzel des Übels nicht mehr im Nationalsozialismus, sondern im „hausgemachten Faschismus“. Anlässlich der Bundespräsidentenwahl erklärte er in einem ZDF-Interview den Erfolg des FP-Kandidaten Hofer als „Kontinuität des Austrofaschismus“. Die umfassenden Rechte des Bundespräsidenten führt er auf diese Zeit der Diktatur zurück. In Wahrheit wurden diese von den großen Parteien gemeinsam beschlossen und fußen auf der Verfassung von 1929. Während man auch hierzulande erkannt habe, so Menasse weiter, dass der Nationalsozialismus böse sei, „war es möglich, das faschistische Gedankengut als Patriotismus weiterleben zu lassen“.

Über Menasses Thesen lässt sich immerhin diskutieren. Andere argumentieren hingegen nur noch absurd. Vor Kurzem durfte der Schriftsteller Michael Scharang sich im „Spectrum“ der „Presse“ zur „Lage der Nation“ äußern. Dabei legte er eindrucksvoll seine völlige Unbeschlagenheit in historischem Wissen und eine erschreckende Fahrlässigkeit in der Wortwahl offen. Gut ist für ihn nur der Kommunismus, alles andere ist „Faschismus“. Österreich sei die treibende Kraft in einem Europa, „in dem der demokratische Faschismus die sozialstaatliche Demokratie ablöst“. Wie bitte? Und weiter: „Demokratie ist die Herrschaftsform der Bourgeoisie“, und „Austrofaschismus, Nationalsozialismus, Zweite Republik – eine erbarmungslose Kontinuität“.

Man kann nur hoffen, dass derlei Auslassungen im Ausland ebenso wenig ernst genommen und als Furor eines Ewiggestrigen erkannt werden wie hierzulande. Wir haben uns schon so daran gewöhnt, dass Künstler, Schriftsteller und andere „Politexperten“ groteske und wütende Attacken gegen alles Österreichische reiten. Wir sollten uns aber nicht wundern, wenn Österreich von ausländischen Journalisten einseitig, verzerrt oder falsch dargestellt wird.

Angesichts solcher haarsträubender Thesen, die nicht auf kruden Internetseiten, sondern in ernsthaften Medien verbreitet werden, kann man den ausländischen Kollegen gar keinen Vorwurf machen, dass sie ein irriges Bild unseres Landes wiedergeben.

E-Mails an:debatte@diepresse.comZur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2016)

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