Ein Milliardenverlust ohne Verantwortliche und Konsequenzen

Allen außerhalb der Politik war klar, dass im Fall Hypo kein Politiker verantwortlich sein und alles dem Steuerzahler aufgeladen würde.

In diesem Fall war Prophetie keine große Kunst. Im April 2015, zum Start des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, schrieb ich in meiner Kolumne: „Wozu ein U-Ausschuss? Ein Jahr lang werden sich die Parlamentarier im Hypo-U-Ausschuss mit der Vergangenheit statt mit Österreichs Zukunft beschäftigen. Konsequenzen wird es voraussichtlich keine geben.“ Exakt so ist es gekommen. Der Ausschuss war genau jene – extrem teure und zeitaufwendige - Beschäftigungstherapie für die Opposition, als die er sich von Beginn an dargestellt hatte. Tausende Arbeitsstunden von Parlamentariern und Zeugen wurden verschwendet, Tausende Seiten Papier für Protokolle und den Endbericht, nur dass am Ende niemand Schuld war.

Und wenn schon von Schuld gesprochen wurde, dann nicht von jener der handelnden Politiker, sondern höchstens von Beamten, Beratern, Mitarbeitern in den Ministerien, zuarbeitenden Institutionen.

Das einzig Erstaunliche war, mit welcher Chuzpe sich ehemalige Spitzenpolitiker einfach abputzten. Wie kann man in so einem Fall ernsthaft denken, alles richtig gemacht zu haben? Wie kann man sich als Entscheidungsträger hinstellen und einfach behaupten, die anderen seien schuld? Da stellt sich dem naiven Betrachter schon die Frage, warum Menschen wichtige Führungsfunktionen im Staat übernehmen (dürfen), wenn sie offen zugeben, dass sie keine Ahnung hatten, leider Opfer falscher Informationen waren, Konsequenzen nicht absehen konnten und daher für nichts Verantwortung tragen, schon gar nicht für ihr eigenes Handeln?

Jeder Kleingewerbetreibende muss für sein Handeln geradestehen: vor den Mitarbeitern, vor der Finanz und im schlimmsten Fall vor dem Strafrichter. Wenn jemand seine Firma in den Konkurs treibt, weil er leider keine Ahnung von seinem Geschäft hatte, sich von seinen Mitarbeitern lauter Unsinn einreden ließ, Kredite in dem Wissen aufnahm, sie niemals bedienen zu können, und die Folgen seines Handelns nicht bedenkt, wird er dann straflos davonkommen? Wird er sich dann auf seine Mitarbeiter ausreden können? Wird er dann ohne Folgen für sein Privatvermögen davonkommen und dann gleich noch einen attraktiven Geschäftsführerposten in einer anderen Firma angeboten bekommen? Eher nicht.

Man hat auch als kleiner Selbstständiger, wenn bei einer Überprüfung des Finanzamts Fehler festgestellt werden, keine Chance, sich auf die Undurchsichtigkeit der Steuergesetzgebung auszureden. Nicht einmal der Steuerberater, den man als Experten bezahlt und dem man vertrauen muss, übernimmt Verantwortung. Man muss selbst dafür geradestehen.

Für Spitzenfunktionäre in der Politik gilt dieses Prinzip offenbar nicht. Angesichts des absehbaren, nun leider bestätigten Nichtergebnisses des Hypo-U-Ausschusses und des enormen Schadens, den die Politik angerichtet hat, ist sie es dem Steuerzahler mehr als schuldig, nicht zur Tagesordnung überzugehen. Vielmehr braucht es, wie von Experten mehrfach gefordert, eine echte Haftung für Politiker, ähnlich jener für Geschäftsführer in der Privatwirtschaft. Zwar gibt es in der Theorie eine Art Haftung, wenn nicht nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gehandelt wurde, aber mir ist kein Fall bekannt, in dem diese Haftung schlagend geworden wäre.

Die Haftung dürfte zwar nicht überzogen sein, da sich sonst niemand mehr für ein hohes politisches Amt zur Verfügung stellen würde, und es würden solch enorme Summen nicht zurückgezahlt werden können. Es würde aber ein gründliches Nachdenken bewirken, bevor man weitreichende Entscheidungen trifft. Diese Haftung sollte nicht nur für Minister, sondern auch für Parlamentarier gelten, die dann vielleicht nicht mehr leichtfertig die Hand heben, wenn etwa Frühpensionsregelungen prolongiert werden, die uns Milliarden kosten. In Zukunft sollte man sich derartige Ausschuss-Spektakel sparen und diese Fälle den Gerichten überlassen.

E-Mails an:debatte@diepresse.comZur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2016)

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