Randerscheinung: Selbstgebasteltes

Der Jüngste bringt da also dieses Selbstgebastelte aus dem Kindergarten mit. Ich behaupte übrigens, Selbstgebasteltes kann man überhaupt nur als Eltern so wirklich schätzen.

Jeder andere (außer vielleicht noch die Großeltern), der sagt, „Ach, ist das schön“, will nur freundlich sein. Was, bitte nicht falsch verstehen, eh schon eine Menge ist. Aber als Vater liebe ich diese etwas eingetrocknete Kastanie, die da mein Jüngster aus seinem Kindergarten-Rucksack wurschtelt, aus der sternförmig sieben Holzstäbchen ragen, die mit roter Wolle verbunden sind. Das ist aber ein schöner Stern, sage ich, weil ja der Advent vor der Tür steht – neben Mutter- und Vatertag die Hochsaison für alles Selbstgebastelte. Die Kastanie ist doch eine Spinne in ihrem Netz, sagt der Jüngste ein wenig vorwurfsvoll.

Auch Eltern, die Selbstgebasteltes lieben, erkennen es leider nicht immer auf Anhieb. Und ich sage: Aha, na klar, eine Spinne natürlich, wie in dem Buch (vom „Raupe Nimmersatt“-Autor), in dem die kleine Spinne immer nur spinnt und schweigt (und das wir schon sehr, sehr oft vorgelesen haben)? Genau, sagt der Sohn, schaut dann ein bisserl und fragt: Was heißt eigentlich schweigen? Wenn man nichts redet, antworte ich.

Und denke mir, dem Jüngsten geht es also offenbar immer so wie mir in Frankreich. Ich verstehe dort jedes dritte Wort nicht. Das will ich dann aber nicht zugeben, schaue interessiert, höre umso konzentrierter hin, verliere aber immer mehr Worte und damit die Bedeutung des Ganzen und werde unaufmerksam. Und schalte schließlich ab. Und wenn mich dann plötzlich jemand anspricht, weiß ich nicht, worum es geht, und tue lieber so, als hätte ich nichts gehört. Nur, dass ich nicht geschimpft werde dafür. Was heißt eigentlich Schweigen auf Französisch? Und Selbstgebasteltes?

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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