Stadtplan: Wut! Geld arbeitet nicht!

Mit 420 Mrd. Dollar könnten die USA 70 Prozent ihres Stroms erneuerbar herstellen.

Darf man in einer Pressekolumne schreien? Aus Wut, aber auch aus Ohnmacht? Es geht nicht um Innnenpolitik, sondern um das, was man „Weltwirtschaft” nennt. Da haben sich einige wenige ungeheuer bereichert. Sie wollten der Welt weismachen, sie hätten die Alchemie des Geldes erfunden: Kaufen Sie mein Geld, damit ich dann noch mehr Geld kaufe. Wenn ich es später verkaufe, haben wir beide einen großen Gewinn gemacht.

Die Menschen glaubten der Illusion, „wir lassen ihr Geld arbeiten”, sie gingen den Rattenfängern auf den Leim und beteiligten sich am Pyramidenspiel, das sich von jeder realen Wirtschaftsleistung abgekoppelt hatte. Die Rattenfänger verdienten obszöne Unsummen.

So wie Daniel Och von Och-Ziff Capital. Er spielte mit einer Jahresgage von 150 Mio. Dollar gar nicht in der Spitzenliga mit. Das Pyramidenspiel funktionierte so lange, weil immer mehr an diese Alchemie glaubten und ihr Geld hineinsteckten. Aber irgendwann rief ein kleines Kind, jenes aus „des Kaisers neue Kleider”: „Aber er ist ja nackt!” Dann war Schluss. Nein; es wäre Schluss gewesen, wäre nicht ein wirklich potenter Spieler eingestiegen: Der amerikanische Steuerzahler „kauft” jetzt faule Kredite um sagenhafte 700 Mrd. Dollar. Ich träume kurz, und frage mich, warum das ein Traum bleiben muss: Was kann man mit 700 Mrd. Dollar machen?

Im „Scientific American” wurde jüngst ein „Masterplan für das Solarzeitalter” vorgestellt: Mittels Investitionen in erneuerbare Energieträger könnten die USA ihre Ölimporte auf Null reduzieren und 70 Prozent ihres Stroms erneuerbar herstellen. Kosten: 420 Mrd. Dollar. Oder: Tausende maroder Schulen in armen Stadtteilen der USA könnten saniert und mit hervorragend bezahlten Lehrern ausgestattet werden. Oder: Den Millionen Obdachlosen könnte ein Dach über dem Kopf finanziert werden. Was da jetzt passiert ist, ist schreiendes Unrecht. In einer Demokratie lässt sich nur dann ein Wirtschaftssystem aufrechterhalten, wenn es Akzeptanz in der Bevölkerung hat.

Diesen Kasinokapitalismus, den letztlich die Steuerzahler auffangen, kann und will die Mehrheit mit Sicherheit nicht. Wir brauchen eine Systemkorrektur, bevor uns die Demokratie um die Ohren fliegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2008)

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