Am Herd: Brandheiss und höchst persönlich

Liebe Leserinnen, dies ist die Woche des generischen Femininums! Klingt kompliziert, bedeutet aber nur: Wenn ich »Leserinnen« schreibe, sind die Männer mitgemeint.

Natürlich könnte ich es mir einfach machen und schreiben: Liebe Leserinnen und Leser! Dann wäre klar, dass beide gemeint sind, Männer und Frauen, Frauen und Männer. Oder ich verwende das Binnen-I: Liebe LeserInnen! Oder ich könnte ausweichen auf eine geschlechtsneutrale Formulierung, in diesem Fall: Liebe Leserschaft! Klingt allerdings ziemlich steif. Als wären Sie eine Einheit, ein monolithischer Block, und das sind Sie nicht, das weiß ich von Ihren Mails, liebe Leserinnen – und jetzt habe ich es auch schon hingeschrieben, das generische Femininum, also die weibliche Form, von der sich diese Woche auch die Männer angesprochen fühlen sollen, wo doch den Rest des Jahres das Umgekehrte gilt und jede sich mitgemeint fühlen muss, wenn es heißt: Liebe Leser.

„InWoche“ heißt diese Initiative verkürzt, und wie ich das so hintippe, schaut mein Mann mir über die Schulter und sagt: „Gut, dass du dich mit diesem Thema beschäftigst. Erst letzte Woche hast du von den Lehrern geschrieben, dabei gibt es mindestens genauso viele Lehrerinnen!“


Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Abgesehen davon, dass ich es hasse, wenn Männer (Männer steht in diesem Fall für „nur Männer“) mich in puncto Feminismus korrigieren. Sobald diese Woche vorbei ist, werde ich wieder von Lehrern und Schülern, von Bäckern und Donaudampfschifffahrtskapitänen schreiben. Nicht, weil ich es für richtig halte – es ist falsch, falsch und bleibt falsch –, sondern weil ich Pragmatikerin bin und weiß: Der Sprachgebrauch mag es halt simpel, ein Wort findet er besser als zwei, fünf Buchstaben besser als sieben. Weshalb die weibliche Form sich nur durchsetzen könnte, wenn sie kürzer wäre – oder wenigstens einfacher. Das ist sie aber selten, weil sich die weibliche Form meist von der männlichen ableitet.

Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz, wobei diese Katze auch ein Kater sein könnte: Wenn die weibliche Form nämlich kürzer oder gleich lang ist, dient sie jetzt schon manchmal als Überbegriff: die Katze, die Ziege, das Reh. Ja, das natürliche Geschlecht des Rehs ist weiblich, so ähnlich wie beim Mädchen. Natürlich und grammatisch, das deckt sich nicht immer.

Bis zur nächsten InWoche, bei der ich mitmachen werde, weil man zwar den Sprachgebrauch nicht ändern kann, aber das Bewusstsein dafür, wie Sprache die Sicht unserer Welt prägt, bis dahin also werde ich mich damit trösten, dass die deutsche Sprache wenigstens fair war, als es darum ging, das grammatische Geschlecht zu verteilen, also die Objekte in männliche, weibliche und sächliche einzuteilen: Die Sonne heißt es! Die Erde! Die Welt!

Na gut: der Mond. Aber der ist nur dazu da, den Neigungswinkel der Erdachse zu stabilisieren.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2012)

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