Am Herd

Ich sage X, Hannah sagt ebenfalls X und wendet es gegen mich. Oder: Ich sage Z, Hannah sagt Z und setzt es unter Anführungszeichen.

brandheiss und
höchst persönlichMarlene hat eine Frage. Sie kommt eher unvorbereitet, wir sitzen im Garten und schlecken Eis, ich Schokolade/Zitrone, Hannah Zitrone/Erdbeer, Marlene Schokolade/Erdbeer, da fragt sie: „Ist es eigentlich leicht, Kinder zu haben?“ Ich: „Ja.“ Hannah: „Na sicher, alles was man dafür können muss, ist gemein sein.“

Das ist im Moment Hannahs Art von Humor. Mit ihm wehrt sie sich gegen die Tatsache, dass ihr Vater peinlich ist, ihre Schwester nervt und ihre Mutter alles besser weiß (meine Sicht) beziehungsweise glaubt, alles besser zu wissen (Hannahs Sicht). Es ist sozusagen ein Reflex: Ich sage X, Hannah sagt ebenfalls X und wendet es gegen mich. Oder: Ich sage Z, Hannah sagt Z und setzt es unter Anführungszeichen. Sie macht das so konsequent, dass sie mittlerweile richtig schlagfertig geworden ist.

Aber eigentlich will ich gar nicht über Hannahs neue Taktik schreiben, Familiengespräche für sich unterhaltsamer zu gestalten, sondern über Marlene und ihre Frage, die ich beantwortet habe, ohne nachzudenken. Ohne an die Nächte zu denken, in denen mein Mann und ich wach waren, um die Kleinen zu trösten, zu füttern, in den Schlaf zu wiegen, ohne mich an die Bettwäsche zu erinnern, die ich in der Badewanne einweichen musste, weil das Erbrochene wohl die Waschmaschine verstopft hätte. Nicht an die Ängste, wenn Hannah vom Hort zu spät nach Hause kam (bei Marlene war ich schon cooler). Nein, daran habe ich nicht gedacht. Und daran, wie anstrengend es ist, ein trotzendes Kleinkind vom Boden hochzukriegen, auch nicht. Oder – man muss ja nicht so weit in die Vergangenheit schauen – an die Streitereien der beiden, die ich nur ertrage, weil ich mir Hannah und Marlene manchmal als Comicfiguren vorstelle, als Knäuel zweier Kämpfenden, von denen man nur hin und wieder eine Faust oder einen wütenden Kopf sieht und daneben steht in Sprechblasen: Autsch. Nimm dies! Krawumm.

Aber nein, jetzt sitzen wir entspannt im Garten und schlecken Schokolade/Zitrone, Zitrone/Erdbeer und Schokolade/Erdbeer, unterhalten uns über YouTube und über all die Katzen, die wir im Urlaub gefüttert haben. Und hin und wieder zieht Hannah mich auf. Ja, es ist leicht, Kinder zu haben. Auch, wenn man darüber nachdenkt.

P.S. Zwei Nachträge zu meiner letzten Kolumne. Leser haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass man erstens kein Katzenfutter in den Kompost haut, nein, auch nicht in Süditalien. Dass es zweitens gefährlich sein kann, Katzen mit rohem Schweinefleisch zu füttern, da ein böser Virus sie binnen Tagen hinstrecken kann (Streuner ist wohlauf, puuh). Und dass es nicht nötig ist, Plastikbecher mit Blättern auszupolstern, weil es moderne Fliegenklatschen gibt, mit denen man Insekten nicht tötet, sondern schonend fängt. Vielen Dank.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2013)

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