Am Herd

Was wir von der Hitze gelernt haben: dass kurze Hosen für Männer okay sind. Dass auch Zehen Luft brauchen. Und Toleranz für den Bauchspeck!

brandheiss und
höchst persönlichWelcome to Cornwall: When it's hot, please dress for the body you have, not the body you want.“ Das steht auf einem Schild, das durch das Netz geistert. Okay, der Spruch ist höflich. Er ist sogar komisch. Er ist wunderbar britisch. Gemein ist er trotzdem.

Und typisch: Alle Jahre wieder bei den ersten Sonnenstrahlen melden sich die sogenannten Ästheten zu Wort und stellen einen Dresscode auf, der genau nach Geschlecht, Alter und Konfektionsgröße differenziert: Frauen über 25 dürfen keine nackten Schultern zeigen (unwürdig!) und keine kurzen Röcke tragen (Orangenhaut!), Bikini ist nur bei Konfektionsgröße 34 erlaubt (Bauchspeck!), und den Männern ergeht es nicht viel besser, ganz im Gegenteil: keine Sandalen spätestens ab dem Stimmbruch und kurze Hosen sowieso nicht, weil der männliche Unterschenkel etwas ist, was in der Skala der hässlichsten Körperteile ganz, ganz oben rangiert. Dabei finde ich männliche Unterschenkel ganz nett, und es stört mich auch nicht, wenn sie behaart sind.


Männer tragen Röcke. Zum Glück sind die Ästheten ob der Hitze der letzten Wochen auf dem Rückzugsgefecht. Angefangen haben die schwedischen Zugführer. Sie trugen plötzlich Röcke! Weil ihnen kurze Hosen von der Firma nämlich verboten worden waren, und das bei 35 Grad. Die Bahngesellschaft gab sich erst cool, in der Hoffnung, das Ganze sei nur ein kurzer Spleen („Wenn ein Mann Frauenkleidung tragen will, ist das okay“, meinte ein Sprecher bemüht tolerant), und gab dann nach. Wer sagt es denn: Freiheit für die Waden!

Und Freiheit für den Bauchspeck! Und für die Schultern. Und die Zehen! Nicht, dass unbedingt alles schön ist, was hier zu sehen ist: So gequetscht und geädert, so voller Blasen und Hühneraugen, wie die Zehen derzeit aus den Flip-Flops ragen, war es allerhöchste Zeit, dass sie einmal an die frische Luft gekommen sind. Wen es stört? Der kann wegschauen. Das geht nämlich, im Gegensatz zum Weghören oder Wegriechen, ganz einfach.

Postskriptum. Kann jemand diese Werbung der Wr. Städtischen abdrehen? Die mit der Tochter, die ihrem alten Herrn ein neues Bett schenkt, mit Schleife drauf? Und dann kriegt er keine Luft, weil er in der Matratze das ganze Geld verstaut hat, und das wird jetzt auf der Müllkippe zerschreddert? Das ist ein Klischee! Alte Männer horten kein Bargeld. Wer tatsächlich nicht zu wissen scheint, wozu ein Konto gut ist, wer wirklich ein Vermögen in bar zu Hause hat und für eine Überweisung das Geld in Bündeln zur Bank trägt, das ist – glaubt man den jüngsten Erklärungen, woher die Bareinzahlungen alle kommen – die Verwandtschaft von Karl-Heinz Grasser.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2013)

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