Warum ich Twitter liebe. Warum ich Twitter hasse.

Warum ich Twitter liebe. Warum ich Twitter hasse. Und warum eine Debatte über Quoten für eine Twitter-Benefizveranstaltung damit zusammenhängt.

Seit etwa zwei Jahren bin ich auf Twitter. Wenn man auf Twitter ist, hat das den Nebeneffekt, dass man binnen Kurzem glaubt, alle anderen seien auch dort. Eine sozialmediale Täuschung, natürlich. Weshalb ich kurz erkläre, was sich dort abspielt, die Twitteranten unter den Lesern können die nächsten Sätze ja überspringen: Darin sind sie eh geschult, immerhin überfliegen sie täglich hunderte Tweets, wie man die 140-Zeichen-Botschaften nennt.

Ich liebe Twitter. Twitter spült mir interessante Artikel und Blogs auf den Schirm. Auf Twitter kann ich dem türkischen Demonstranten folgen oder dem Journalisten, der im Telekom-Prozess sitzt, und erfahre alles aus erster Hand. Und Twitter muntert mich auf. Einer meiner Lieblingstweets ist von Marina Weisband: „Ich sage ja nicht, dass ich Batman bin. Ich sage nur, niemand hat Batman und mich je zusammen in einem Raum gesehen.“ Oder von Anatol Stefanowitsch: „Bei den Inuit erzählt man sich, die Deutschen hätten über vierhundert Wörter dafür, wie sehr sie den Schnee hassen.“ Lol (laugh out loud) würde ich auf Twitter schreiben.


„Twittkultur“. Eine von denen, die mich manchmal zum Lachen bringen, ist Olja Alvir, eine junge Journalistin. Sie ist schlagfertig, aufmerksam und hat einen an der österreichischen Literatur geschulten Wortwitz. Und sie ist eine Feministin. Ich liebe Feministinnen. Neulich hat sie sich mit halb Twitter-Österreich angelegt. Der Grund: Bei einer Benefizveranstaltung, die „Twittkultur“ heißt und am 25.Oktober im Wiener Tachles stattfindet, werden 12 Menschen auftreten – darunter nur zwei Frauen. Darauf wies sie hin.

Es hätte eine interessante Diskussion werden können: Braucht es die Quote? Wie bekommt man mehr Frauen aufs Podium? Ist eine Benefizveranstaltung ein schlechter Anlass, diese Debatte zu führen, weil es dort um eine gute Sache geht (ein Kinderhospiz), oder ist es der richtige Anlass, weil sich dort jene treffen, die eigentlich aufmerksam sind, wenn es um Rassismus/Sexismus/Homophobie und andere Grauslichkeiten geht?

Wie es auf Twitter so ist: Die Diskussion fand nicht statt. Erstens reichen 140 Zeichen halt doch nur für Schlagworte, was oft egal ist, weil man die meisten Argumente eh kennt, aber schade, weil man die meisten Argumente eh kennt. Zweitens ist das Erregungsniveau zu hoch und der Ton entsprechend ruppig. Und drittens darf sich auf Twitter jeder einmischen. Als würde der Ungustl von der Bar sich einfach dazusetzen, die Anwesenden als „verhärmte Frauen“ oder „dumme Kinder“ beschimpfen, die sich einen „guten Therapeuten“ suchen sollen – und wenn ein Mann sich auf die Seite der Frauen stellt, wird ihm beschieden, er sei nur auf einen „Fick“ aus. Alles Originalzitate, übrigens.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2013)

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