Sarkasmus

Nein, werte Damen und Herren, Sarkasmus ist nicht sexy. Und diese dauernde Ironie ist anstrengend. Woher soll ich wissen, was Sie meinen?

Mag nicht mehr. Hab keine Lust. Mag kein Bonmot mehr hören, keine sarkastische Spitze, finde es öde, dass man bei jeder Gelegenheit das eine meint und das Gegenteil sagt und sich anschließend beklagt, wenn man nicht verstanden wird. „Jetzt haben sie sich den dritten Mops gekauft. Das ist wahre Liebe zur Kreatur.“ Sagt ein Kollege.

Und meint damit: Liebe Kollegin, ich gehe davon aus, ja, es ist mein gutes Recht davon auszugehen, dass Sie wissen, wie verrückt ich es finde, wenn jemand drei, ich betone drei Hunde hat, und dann auch noch Möpse. Und zwar deshalb, weil es objektiv gesehen ein Zeichen von geistiger Umnachtung ist, drei, ich betone drei Hunde zu haben, und noch dazu Möpse – und jeder, der nicht genauso geistig umnachtet ist, muss mir zustimmen und mindestens schmunzeln. Jetzt!

Weiß ich aber nicht, muss ich aber nicht, tu ich aber nicht.


Ironiezeichen? So ist das mit der Ironie. Von der man immer sagt, sie sei sanft und freundlich, was manchmal stimmt („Mama, du altes Schlachtross“, sagt Töchterl und rubbelt mir das Haar), aber oft auch nicht: Weil Ironie voraussetzt, dass man sich einig ist, was richtig und falsch, gut und böse, schlau und blöd ist. Und deshalb, liebe Leute, und nicht nur, weil es im Text keine Ironiezeichen wie hochgezogene Augenbrauen oder die erhobene Stimme gibt, funktioniert schriftliche Ironie meistens nicht: Weil man sich so an Leute wendet, die einen entweder nicht gut genug kennen oder sogar anderer Meinung sind: Vielleicht meint der Kerl ja wirklich, Spindelegger habe das Zeug zum neuen Kreisky.

Und ja, auch das muss möglich sein.

Aber ich weiß, ich befinde mich auf verlorenem Posten. Vergangenes Wochenende habe ich einer halbstündigen Konversation gelauscht, in der kein einziger Satz gemeint war, wie er gesagt wurde, und sich vor allem die Herren übertrumpften, den Vortragenden des vergangenen Abends verbal hinzurichten („Noch fünf Minuten länger, meinte einer, und er wäre für den Nobelpreis vorgeschlagen worden“), was nicht nur mühsam war (ich hatte den Vortrag nicht gehört), sondern auch fruchtlos: Am Ende wusste ich effektiv nicht, worum es überhaupt gegangen war: Tulpenzwiebeln? Bemannte Marsfahrt? Wie alle Formen der Kommunikation, die nur dazu dienen, einander zu versichern, dass die anderen Trotteln sind, jedenfalls im Vergleich zu einem selbst, bringen auch Ironie und Sarkasmus keine Erkenntnis, zumindest wenn man die Behauptung, dass alle anderen Trotteln sind, nicht als Erkenntnis werten will.

Und dafür war mir diese Konversation wirklich nicht unterhaltsam genug.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2014)

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