Wer soll da noch Kinder kriegen!

MUTTERTAG
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Wir Mütter müssen also jeden zweiten Sonntag im Mai bedankt werden, für all die Müh' und Plag', für all die "Opfer", die wir bringen. Was ist denn das für ein seltsames Signal?

Und dann dreht sich das Kind noch einmal um, am Treppenabsatz blickt es zurück und wirft mir eine Kusshand zu: „Lieb dich, Mami!“, sagt sie: „Have a nice day!“ (Das hat sie gerade in Englisch gelernt.) Sie will mir noch ein weiteres Bussi schicken, aber da wird ihre große Schwester ungeduldig und zupft sie unsanft an der Jacke: „Schluss mit dem Geturtel.“ Und so poltern die beiden die Stufen hinunter, durch die geschlossene Türe höre ich noch, wie Hannah schimpft wie ein Rohrspatz. Worüber? Das will ich gar nicht wissen.

Kein Muttertag. Ein ganz normaler Tag unter der Woche, an dem die Kinder in die Schule gehen.

Es ist zu wenig von normalen Tagen die Rede. Die Rede ist meistens von den Problemen: Von fehlendem Schlaf und fehlendem Sex („Zweisamkeit“). Von Müttern, die sich wieder in ein altes Rollenbild gedrängt sehen, von Karrierefrauen, die entdecken, dass die gläserne Decke plötzlich bleiern wird, sobald ein Kind da ist, von Doppelbelastung, Dreifachbelastung und einem Schulsystem, das uns Eltern als Nachhilfelehrer verpflichtet. Die Rede ist von einer Arbeitswelt, die so durchrationalisiert ist, dass für ein Kind einfach kein Platz zu sein scheint und keine Zeit, und wenn, dann nur für ein durchrationalisiertes Kind, das sich mit „Quality Time“ zufrieden gibt.

Und als wäre das nicht abschreckend genug, ist da noch der Muttertag.


Zu spät! Ich habe den Muttertag immer schon gehasst.

Als Kind, weil ich immer zu spät mit dem Basteln angefangen habe, und das Ergebnis war dann eine noch von Wasserfarben feuchte Karte und eine windschiefe Box.

Als junge Erwachsene, weil ich es mir schließlich nicht ausgesucht habe, auf dieser Welt zu sein (meine nihilistische Phase).

Als Mutter, weil am Muttertag entweder Hannah Trost braucht, weil die Tomatenpflanze, die sie gesetzt hat, halb vertrocknet ist. Oder die kleine Marlene beruhigt werden muss, weil Hannah das „viel bessere Geschenk hat, immer ist ihres besser, ich will auch einmal das bessere Geschenk haben“. Zitat Ende.

Und ich hasse den Muttertag aus Prinzip: ein Tag, an dem wir bedankt werden müssen, für all die Müh' und Plag', für all die „Opfer“ die wir unter dem Jahr so bringen? Was soll denn das für ein Signal sein! Es ist so schon schwer genug, sich für ein Kind zu entscheiden, in einer Welt, die lauter Warnungen bereithält und kaum Ermutigung, und die so tut, als sei so ein Familienleben schrecklich kompliziert und nur mittels Ratgeber zu bewältigen. Wie geht das, Familie?

Ach, ganz einfach: Wie es euch gefällt! Ich denke an all die glücklichen Familien, die ich kenne: An die alleinerziehende Kollegin, die ihre Karenz nach einem halben Jahr abgebrochen hat – und deren mittlerweile fast erwachsene Tochter immer noch mit ihr auf Urlaub fährt. An Sandra, die für ihren herzkranken Sohn kämpfte wie eine Löwin – und einen Mann gefunden hat, der an ihrer Seite kämpft. An die beiden Mütter von Mona und Tom: Ja, wir haben am ersten Elternabend auch gestaunt. An Sisi, die Hausfrau, mit den drei musikalischen Söhnen, die sich zur Elternvertreterin aufstellen ließ, als alle anderen betreten zu Boden blickten, weil sie „so im Stress“ waren. Ich denke an mich und meinen Mann, die wir stets von Neuem „diskutieren“, wie wir die elterlichen Pflichten verteilen, und an unsere Töchter, von denen eine heute mit verpickten Haaren aufgewacht ist, und als ich ihr sagte, dass das wohl ein Kaugummi wäre, meinte sie: „Hab' ich ihn endlich gefunden!“


Anstrengend? So laut und so leise und so bunt und so streng, so musikalisch und sportlich, so zweisam und dreisam und viersam und mehr ist Familie. Und manchmal ist sie natürlich auch anstrengend. Aber das ist kein Alleinstellungsmerkmal von Kindern. Anstrengend sind auch (Aufzählung unvollständig): ein Chef, der auf die Frage: „A oder B?“ mit „Ja“ antwortet. Eine Arbeit, die einem keine Zeit mehr lässt für ein Schwätzchen. Eine pflegebedürftige Mutter. Ein dementer Vater. Eine unglückliche Liebe. Verliebtsein überhaupt. Ein Marathon. Ein eroberter Gipfel. Eine durchgemachte Nacht.

Das Leben.

Lassen wir uns doch davon nicht abhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2014)

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