Angst vor Feministinnen

Und dann verstehe ich: Dieser Mann hat Angst! Vor mir! Vor den Feministinnen. Und dabei kann ich Ihnen versichern, ich will nichts Böses.

Neulich kam Stephan mit einem Flugblatt nach Hause, das ihm ein junger Mann in die Hand gedrückt hat. Es war ein Aufruf, dem Gender-Wahn ein Ende zu setzen. Die Zukunft der Menschheit stehe auf dem Spiel, stand da, Feministinnen würden versuchen, alle gleich zu machen, in Hinkunft dürfen Frauen nicht mehr Frauen sein und Männer nicht mehr Männer!

Das Flugblatt klang nicht aggressiv. Es klang verzweifelt.

Jetzt habe ich keine Lust, mich mit Trotteln auseinanderzusetzen, die im Netz gegen Feministinnen spucken und meinen, wer für die Quote eintritt, gehöre nur einmal ordentlich durchge***. Aber dass jemand Angst vor mir hat, das möchte ich auch nicht.

Es gibt nämlich nichts zu fürchten. Ich bin ganz harmlos. Und was ich möchte, wird die Menschheit nicht ins Unglück stürzen.

Ich möchte, dass man jedem Menschen so begegnet, wie es ihm entspricht. Also nicht, wie es ihm als Bub entspricht oder als Mädchen, als Mann oder als Frau, sondern als Person. Dazu muss ich nicht lange darüber diskutieren, ob Mädchen von Natur aus eher mit Puppen spielen (da gab es so ein Experiment bei Affen); ich muss nicht überlegen, wie viel des männlichen Dominanzverhaltens angeboren ist, und ob es uns immer noch prägt, dass Männer „nun einmal“ Jäger waren und Frauen „nun einmal“ Sammler. Denn das ist zwar unterhaltsam (wenn etwa mein Mann mit seinem tunneligen Jägerblick die Butter nicht findet, nur weil sie neben statt im Kühlschrank steht). Aber es ist irrelevant. Weil es um den konkreten Menschen geht, nicht um eine abstrakte Tendenz.


„Brave“ Lea, „kluger“ Max.
Wenn es um den Menschen geht, dann erwarte ich von Klara nicht, dass sie freudiger ihr Spielzeug teilt, weil doch Mädchen viel sozialer sind. Und ich halte Leo nicht für ein Muttersöhnchen, nur weil er sich nicht gerne balgt. Wenn Max und Lea einen Einser in Mathe geschrieben haben, halte ich beide für „clever“ bzw. „brav“ – und nicht Lea für „brav“ und Max für „clever“. Wenn Sabine mit Nachdruck einen Vorstandsposten anstrebt, ist sie für mich nicht „pushy“. Sondern ehrgeizig, so wie Markus auch. Und das heißt nicht, dass Mädchen keine rosaroten Tüllkleider anziehen dürfen und Buben nicht mehr Fußball spielen.

Nur möglicherweise würde sich ja herausstellen, dass das eine oder andere Mädchen genauso gerne Fußball spielt. In Marlenes Gymnasium ist das so. Dort jagen Mädchen gemeinsam mit den Buben dem Ball nach. Ob der Flugblattschreiber das mit „gleich machen“ gemeint hat?

Wenn ja, dann scheint es ziemlich viel Spaß zu machen.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2014)

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