Herbst,ich mag dich nicht

Und nein: Auch wenn du mir noch ein paar südlichere Tage schenken solltest, kann mich das nicht versöhnen.

Dunkel ist's. So dunkel, dass ich glaube, es sei noch früh am Morgen, dabei geht es schon auf die Neun zu. Neben mir mein Mann schläft noch, darum mache ich kein Licht. Von draußen höre ich die Autos, wie sie über die nasse Fahrbahn brausen. Schschwwmmm. Schschwwmmm. So klingt das. Ein Ton, so dunkel wie der Himmel jetzt gerade.

Es kommt der Herbst. Herbst, die Zeit der nassen Hosenstulpen und der Cardigans, der Nebelfelder und der bedeckten Waden, der Eintöpfe und der dicken Suppen. Herbst, ich mag dich nicht. Und, nein: Auch ein paar südlichere Tage können mich nicht mit dir versöhnen.


Mein weiß getüpfeltes Sommerkleid. Gestern habe ich die dicken Jacken hergeräumt, und die Kinder haben trotzdem gefroren. Jetzt stehe ich wie jedes Jahr um diese Zeit vor dem Kleiderschrank und sortiere um: Her mit den Pullis und Blusen, den kuscheligen dunklen Jacken, die unauffällig sind und zu allem passen, weil sie nur eines können müssen: warmhalten. Dafür kommen die Sommerkleider wieder nach links, dorthin, wo der Hosenanzug hängt, den ich nur einmal im Jahr brauche. Das rote Kleidchen – heuer habe ich es kaum getragen. Das türkise mit der Schleife habe ich Mitte August noch einmal gebügelt, aber dann war es nie mehr warm genug. Schade um die Mühe: Nächsten Sommer ist es längst zerdrückt.

Ein weiß getüpfeltes Kleid aus Frankreich ist heuer dazugekommen. Ich hatte es an, als ich über die Dünen kletterte, barfuß, den weißen Sand zwischen den Zehen. Und beim Radeln in die Redaktion, die Sonne im Nacken. Wie leicht macht der Sommer! Wie wenig braucht man.

Jede Woche eine neue Schicht. Jetzt kommt Woche für Woche eine neue Schicht dazu, die schützen soll vor der Kälte und dem Wind und vor anderem Unbill. Opake Strumpfhosen und gefütterte Stiefel, Schals und Westen, Handschuhe und Regenschirme. So viele Dinge, die ich verlieren und verlegen kann, und die ich dann verzweifelt suche! So viele Dinge, die ich wickeln und schnüren und knöpfen muss, wo ich doch längst das Haus verlassen haben sollte.

Und wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, wird kein Platz mehr sein im Vorzimmer, weil lauter aufgespannte Regenschirme vor sich hin tropfen.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2014)

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