Nur keine Stopptaste

Verschwörungstheoretiker fanden Antworten: Sabotage! Klar. Der Mossad war's!

Man hätte alles auf sich beruhen lassen können, oder sagen wir zumindest: fast alles. Man hätte die Ursache des Unfalls feststellen können und dann die Sache abschließen. Niemanden hätte interessiert, wie genau der Fahrer seine letzten Stunden verbrachte, was er trank, mit wem und wo.

Aber es ging nicht! Von Anfang an nicht. Immerhin waren schon kurz nach dem Unfall Verschwörungstheorien aufgetaucht, nachzulesen im Netz. Sie verbreiteten sich rasch: Der Phaeton gelte doch als besonders sicheres Auto! Bei 70 km/h kann ein solcher Wagen unmöglich so aussehen! Woher kommt diese verdächtige Delle am Dach? Wieso fehlen beide Türen? Und während in Auto-Foren schon rasch ziemlich präzise Schätzungen der Geschwindigkeit abgegeben wurden, fanden die Verschwörungstheoretiker einfachere Antworten: Sabotage! Klar. Der Mossad war's!

Dann wurden die ersten Ergebnisse der Untersuchung publik: 142km/h im Ortsgebiet. Aber die Gerüchte verstummten nicht. Zuerst wurden die Daten angezweifelt, dann erklärt, Haider sei unmöglich selbst auf dem Gaspedal gestanden. Die Lösung: ein ferngesteuerter Wagen! Kein vernünftiger Mensch fährt schließlich bei Nebel und im Ortsgebiet 142!! Jedenfalls nicht, wenn er nüchtern ist. Und nüchtern war er, der Herr Landeshauptmann! Haben ja alle gesagt.

Dann kam das mit den 1,8Promille heraus. Gegen den Willen der Familie, gegen den Willen der Staatsanwaltschaft. Trotzdem: eine wichtige Information. Wenn auch noch immer nicht Information genug, um die Verschwörungstheoretiker zur Einsicht zu bringen: Wo soll er sie denn her haben, die 1,8 Promille? Und wieder das Gleiche: Erst wurde die Untersuchung angezweifelt, dann suggeriert, jemand habe Haider Schnaps ins Gulasch gerührt.

Darum, und nur darum war es gerechtfertigt, zu publizieren, wo und wie Haider seine letzte Stunde verbracht hatte.

In den Foren ist es etwas ruhiger geworden. Die Verschwörungstheoretiker sind auf dem Rückzug. Manch einer, der noch vor kurzem behauptet hat, bei diesem Unfall sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, weiß nur noch eines: Dass es die Pietät gebietet, den Untersuchungen Einhalt zu gebieten.

Aber dafür ist es zu spät.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2008)

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