So ein Scheißtag!

Heute ist ein Scheißtag, sagt Marlene. Und der morgige wird auch nicht besser. Über das Leben mit pubertierenden Kindern.

„Müde“, sagt Hannah. „Ich bin müde.“ Sie ist heute mit dem falschen Fuß aufgestanden, jetzt hat der linke Socken ein Loch, und sie hat die Französisch-Vokabeln nicht gelernt. Und außerdem: Wo ist der Schlüssel?

„Müde“, sagt Hannah, als sie heimkommt. „Ich bin müde.“ „Wie war die Schule?“, frage ich. „Eh okay“, sagt Hannah, das sagt sie nämlich immer und dann schnappt sie sich einen Kopfhörer. In den kommenden Stunden sitzt sie mit dem Handy auf ihrem Bett und schaut sich an, was LeFloid auf YouTube über Mediakraft zu sagen hat.

„Müde, ich bin so müde, Mama, was gibt's zum Abendessen?“, fragt Hannah. Ich koche heute Saibling mit Reis und Blattspinat, aber das schmeckt ihr nicht, das ist ihr zu fischig. Vielleicht geht sie gleich ins Bett, ohne Essen, sagt sie. Dann kommt sie aber doch, setzt sich windschief an den Tisch und isst den Fisch ohne Zitrone.


Totenkopf. „Das wird ein Scheißtag“, sagt Marlene. Sie kuschelt sich noch einmal ins Kissen und weigert sich aufzustehen, wenn überhaupt, dann nur, wenn sie gekitzelt wird und wenn ich ihr das T-Shirt mit dem Totenkopf ans Bett bringe, das schwarze. „Und, Mama, was gibts zur Jause?“

„Das war ein Scheißtag“, sagt Marlene. „Das war der scheißigste Tag in meinem ganzen Leben.“ Marlene wirft die Wohnungstür zu, schmeißt den Stunt-Roller ins Eck und saust ab ins Kinderzimmer, mein Mann läuft ihr nach. „Was ist denn passiert?“, fragt er. Er ist besorgt. „Sprich nicht!“, ruft sie. Dann holt auch sie ihre Kopfhörer, zwei Kinder mit Kopfhörern im Kinderzimmer schauen finster drein.

„Heute war ein Scheißtag“, erzählt Marlene beim Abendessen neben ihrer windschiefen Schwester, die Fisch ohne Zitrone isst. „Ich habe heute auch einen Scheißtag gehabt“, sage ich. „Der war garantiert noch viel scheißiger als deiner, soll ich erzählen?“

Aber das will Marlene doch nicht hören, sie erzählt lieber von Leo, der einen Klassenbucheintrag bekommen hat, und über Lisa, mit der sie über die Mauer geklettert ist, obwohl das eigentlich verboten ist, und darüber, dass sie morgen in Englisch ein Stück aufführen werden, und sie darf den Einbrecher spielen.

Klingt nicht so übel, und Hannah schaut eigentlich auch ganz munter drein, aber was weiß ich schon, ich bin ja erwachsen.


Post scriptum. Hannah hat diese Kolumne gelesen und hat gelacht, ich hab's genau gehört, aber jetzt sagt sie, sie findet den Text nicht besonders lustig, im besten Fall ist er „okay“. Und sie glaubt, ihr Deutschprofessor hätte ihr die Wortwiederholung als Stilmittel nicht durchgehen lassen.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2014)

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