Autos gehören zum Land

Wer sagt denn, dass Autos zur Stadt gehören? Das Gegenteil ist doch der Fall: Autos gehören zum Land.

Wir haben kein Auto. Und eigentlich dürfte ich diese Kolumne gar nicht schreiben, zumindest, wenn es nach meiner Kollegin Melitta B. geht: Sie findet, dass sich nur jene zum Thema Radfahrer/Fußgänger/Autofahrer äußern sollen, die sowohl regelmäßig das Fahrrad als auch das Auto als auch ihre eigenen Haxen nutzen. Das würde der Debatte das Aufgeregte nehmen.

Hm.

Immerhin: Ich stamme aus einer Autofahrerfamilie, wir haben im Auto alles getan: gegessen, geschlafen, gestritten, gelesen, „Uno“ gespielt. Auf dem langen Weg nach Kalabrien habe ich als Teenager sogar gehäkelt. Meine Mutter fährt immer noch wie ein Gangster, und zwar einen roten, kurios PS-starken Kleinwagen. Und mein Stiefvater findet auch ohne GPS überall hin: Wenn die beiden mich besuchen kommen, gehen sie nicht einmal von der Herrengasse ins Museumsquartier zu Fuß.

Womit wir in Wien wären. Der Stadt, in der mit zunehmender Heftigkeit darüber diskutiert wird, wie man den öffentlichen Raum am besten nutzen soll, wobei die Fronten einigermaßen klar zu ziehen sind: Wer ein Auto hat, will durch die Mariahilfer Straße fahren können, wer keines hat, will dort lieber flanieren; wer mit einem Pkw Freiheit assoziiert, der findet neue Geschwindigkeitsbegrenzungen blöd, und wer damit vor allem Krach, Feinstaub und Gefahr für die Kinder verbindet, der hätte am liebsten überall Wohnstraßen. Dass ich zu Letzteren gehöre, bedarf wohl – siehe oben – keiner näheren Erläuterung.


Speckgürtel. Aber darum geht es mir gar nicht, sondern um ein Argument, das ich immer wieder höre, am häufigsten von Menschen, die im Speckgürtel wohnen: dass Autos nun einmal zur Stadt gehören. Dabei ist das Gegenteil der Fall! Autos gehören zum Land, zum Dorf, zum Vorort. Ohne eigenes Fahrzeug geht dort gar nichts, kein Wochenendausflug und kein Kinoabend, kein Großeinkauf und kein Yogakurs. Am Land gehört zu jeder Disco und zu jedem Supermarkt folgerichtig ein riesiger Parkplatz – und richtig erwachsen ist man dort auch erst, wenn man den Führerschein in Händen hat, in meinem Fall mit 37.

Eine Großstadt dagegen wird definiert dadurch, dass man auf ein Auto nicht unbedingt angewiesen ist, weder als Tourist noch als Bewohner. Zumindest wenn man in Gehweite einer U-Bahnstation wohnt, ist ein Auto reiner Luxus, wer will, der kann. Wer nicht will, muss nicht.

Ist doch gut so!

Denn wenn alle, die heute für den Ausbau der Radwege und Begegnungszonen plädieren, sich morgen einen Pkw anschaffen würden, kämen jene, die freie Fahrt für freie Wiener fordern, übermorgen nirgendwo mehr hin.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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