Kindergärtnerinnen können mehr

Man betrachtet den Kindergarten gern als Aufbewahrungsstätte oder Bildungseinrichtung. Aber Kindergärtnerinnen können viel mehr! Ein Dank zum Muttertag.

Es war ein Drama. Für mich! Marlene sollte in den Kindergarten kommen, und ich konnte mir das einfach nicht vorstellen. Marlene, die sich an mein Bein hängte, wenn ich aufs Klo gehen wollte! Die weinte, wenn die Oma sie auf den Arm nahm. Marlene, die niemandem traute außer mir, ihrem Papa, ihrer Schwester. Ich sah die anderen Kinder, die da fröhlich durch die Tür in den Gruppenraum marschierten, und zweifelte.

Nie!

Eine Woche und fünf verschwitzte Leiberln (meine!) später zog sich Marlene in der Garderobe des Kindergartens die Patschen an, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, schnappte sich einen Teller – ach, wie warst du verfressen, kleine Marlene, und wo ist er jetzt hin, dein Babyspeck? – und holte sich Frühstück. Ich wäre den Kindergärtnerinnen am liebsten um den Hals gefallen, denn erstens konnte ich jetzt wieder einer geregelten Tätigkeit nachgehen, und zweitens war meine Süße ab da wie ausgewechselt: Sie hatte erfahren, dass es auch außerhalb der Familie nette Menschen gibt. Das ließ sie mutig werden und neugierig, immer noch vorsichtig, aber nicht mehr so misstrauisch.

Meine Mutter freute sich auch.

Aufbewahrungsstätte?

Es ist üblich geworden, den Kindergarten entweder als Aufbewahrungsstätte oder als Bildungseinrichtung zu betrachten, und in diesem Fall wären die Pädagogen und Pädagoginnen entweder Aufpasser oder Lehrpersonen, aber sie sind viel mehr: Sie sind oft, vor allem wenn die Großeltern nicht in der Nähe wohnen, die ersten Bezugspersonen außerhalb der Kleinfamilie. Im Kindergarten lernen sie, dass Mama und Papa zwar Mama und Papa sind, dass es aber auch die Gabi gibt, die lustige Lieder von Krokussen und Raupen singt, und die Regina, deren Stimme ganz leise wird, wenn sie etwas von einem will. Dass man mit Maria super Kuchen backen kann. Und man am besten zu Michaela läuft, wenn man getröstet werden will.

Ich habe die Arbeit der Pädagoginnen oft bewundert: wie selbstverständlich sie eine Atmosphäre der Konzentration schaffen. Wie genau sie die Kinder beobachten. Dass sie Hannah zum Aufräumen bewegen konnten, ohne laut werden zu müssen. Und dass sie verstanden haben, dass man Marlene auch einmal in Ruhe lassen muss.

Es ist eine großartige, es ist eine wichtige – und viel zu schlecht entlohnte – Arbeit. Kindergärtnerinnen erleichtern nicht nur uns Müttern das Leben, sondern sie bereichern auch das Leben unserer Kinder. Da sie lauter oder leiser, fordernder oder weicher, strenger oder milder, ernster oder fröhlicher sind als wir. Einfach anders.

Und das tut allen gut.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2015)

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