Brandheiss und höchst persönlich

Wien im Sommer, da schaut sogar der Stephansdom freundlich aus. Eine Liebeserklärung.

Ein Abend im Juni. Ich sitze mit meiner Freundin auf ihrem Balkon. In den Fenstern der Gasse blitzt noch einmal die Sonne auf, bevor sie untergeht. Die Kinder nebenan sind noch wach, ein sanfter Wind weht ihre hellen Stimmen herüber. Wenn es so spät dunkel wird, finden sie wohl keinen Schlaf. Im Haus gegenüber stehen zwei junge Frauen am offenen Fenster, sie rauchen und lachen. Das könnten wir sein, meine Freundin und ich, vor zwanzig Jahren. Wir winken.

Wien im Sommer. Da schaut sogar der Stephansdom freundlich aus. Wie hell die Stadt ist! Als läge sie irgendwo im Süden. Auf dem Heldenplatz üben Skater ihre Tricks. Im Volksgarten sind Slacklines von Baum zu Baum gespannt, darüber kann man balancieren. Mein Mann und ich gehen durch die Gassen nach Hause, immer wieder wechseln wir die Straßenseite, hinüber in den Schatten, der nicht mehr dunkel ist wie im Winter, nicht bedrohlich, sondern freundlich und einladend. Heute gibt es Eis. Und morgen. Und übermorgen.

Die Geräusche der warmen Tage: das Geratter der Longboards, die übers Kopfsteinpflaster sausen. Die Glocken der nahen Kirche durchs offene Fenster. Vögel, ja sogar Vögel frühmorgens. Manchmal fährt ein Auto vorbei, die Scheiben sind heruntergelassen, man hört türkische Musik oder österreichischen Schlager oder Ö3.

Natürlich. Natürlich ist es in der U-Bahn entweder stickig oder zu frostig (ach, die Klimaanlagen). Natürlich steht eine Sandale nicht jedem Fuß und eine kurze Hose nicht jedem Männerbein. Und es gibt Nächte, da ist selbst die dünnste Tuchent zu schwer und zu heiß. Aber davon reden wir jetzt nicht, weil es egal ist: Es ist Sommer.

Am Wochenende. Wenn die Kinder nichts anderes vorhaben, fahren wir an die Alte Donau. Dorthin, wo Melanie von einer Wespe gestochen worden ist. Dorthin, wo uns noch jedes Jahr ein Gewitter überrascht hat. Wir haben uns dann ins Buffet geflüchtet, nach einer halben Stunde ist die Sonne wieder herausgekommen, und das Bad war fast menschenleer. An der Alten Donau haben Hannah und Marlene schwimmen gelernt. Jetzt klettern sie mit ihren Freundinnen auf die weiße Plastikinsel und springen von dort aus ins Wasser. Manchmal ziehen die kleinen Schiffe einer Segelschule vorbei. Immer wieder hört man von Weitem die U-Bahn. Irgendwo weint ein Kind. Irgendwo lacht ein Kind. Übers Schilf hinweg blicke ich aufs andere Ufer und träume mir ein Häuschen am Wasser, mit Liegestühlen und Steg. Aber hier ist es auch schön.

Heimkommen. Nach einem Tag unterwegs öffne ich das Tor zum Zinshaus und trete in den Hof. Er ist wie immer kühl und dämmrig. Es ist Abend. Ich bin zu Hause.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.