Am Herd

Wer zählt Formulare, Schularbeiten, Tests und Entschuldigungen, die ich in den vergangenen zehn Jahren unterschreiben musste, wer all die Hinweise auf entfallene Stunden?

brandheiss und
höchst persönlichAm Mittwoch hat mich mein Bankberater angerufen. Das heißt, eigentlich ist es gar nicht meiner, sondern der meines Mannes – er hat mich nur aus Mitleid adoptiert. Ich bin nämlich zu langweilig, um einen persönlichen Bankberater zu haben: keine Investments und keine Kredite, keine auffallenden Kontobewegungen oder höheren Beträge. Ja, ich habe noch nicht einmal überzogen! Für die Bank bin ich quasi nur einen Schritt von der sprichwörtlichen Oma entfernt, die ihre Groschen bzw. Cent unter der Matratze bunkert.

Jedenfalls fragte der Bankberater, ob das mit der Überweisung nach Straßburg seine Richtigkeit habe. Da stimme nämlich etwas nicht mit der Unterschrift. Die sei so – nun ja, eben seltsam.

Er hätte es ruhig sagen können. Meine Unterschrift ist hässlich. Dabei war sie das nicht immer, auf meinem ersten Pass etwa wirkte sie noch leidlich charmant, ein bisschen krakelig vielleicht. Aber um mit Hildegard Knef zu sprechen: Von nun an ging's bergab.

Zuerst war da die Uni-Bibliothek. Damals musste man noch regelrechte Anträge stellen, wenn man ein Buch ausborgen wollte. Das hieß konkret: Pro Buch ein Antrag, pro Antrag drei Unterschriften, zehn Anträge waren erlaubt – 30 Unterschriften pro Besuch! Und dann waren acht der zehn Bücher schon verliehen!

So ging mein zweiter Vorname verloren.


Privat-Steno. Dann kamen der Job und ein traumatisierender Bandsalat: Das mit dem Walkman aufgenommene Gespräch mit dem großen Fritz Muliar war perdu! In der Folge ließ ich bei Interviews nicht nur zwei Aufnahmegeräte mitlaufen, sondern schrieb außerdem noch mit und entwickelte dabei eine Art Steiner-Steno: Das ist genauso schnell wie das originale, hat aber den Nachteil, dass nur ich es lesen kann – und manchmal nicht einmal das.

Seither besteht der hintere Abschnitt meiner Unterschrift nur noch aus einem Strich.

Der dritte, finale Schlag wurde meiner Handschrift durch den Schuleintritt unserer Töchter versetzt. Wer zählt die Formulare, die Schularbeiten, Tests und Entschuldigungen, die ich in den vergangenen zehn Jahren unterschreiben musste, wer all die Hinweise auf den Ausflug am Montag, den Teststoff für Bio und auf die fünfte Stunde, die am Montag entfällt? Vor ein paar Wochen hat die Schule der Kinder zwar auf SMS-Benachrichtigung umgestellt – aber es ist zu spät. Meine Unterschrift ist so schlimm, dass eine Lehrerin meine Jüngere verdächtigte, sie habe sie gefälscht. Zum Glück war eine erfahrene Professorin vor Ort. Diese Eltern, hat diese Professorin gesagt, hat Marlene gesagt, schreiben heutzutage alle so!

Immerhin, ich bin nicht allein.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2015)

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