Urlaub

Ist doch super, wenn die beiden sich so gut verstehen! Über meinen Mann und meine Tochter, die gemeinsam in Eisenerz Urlaub machen.

„Hallo Mami“, sagt Marlene am Montag: „Wir waren am Leopoldsteinersee baden. Der ist heuer gar nicht so kalt! Ich war sogar länger drin als der Papa. Ein kleiner, schwarzer Terrier ist mir nachgeschwommen. Ursüß! Ich muss mich jetzt ausruhen. Tschüühüss!“

„Hallo Mami“, sagt Marlene am Mittwoch, am Dienstag war sie nämlich zu beschäftigt, um zu telefonieren: „Bei Großmutti hat es Suppe und Kaiserschmarren gegeben. Die Großmutti macht sooo eine tolle Gemüsesuppe, sie soll dir das Rezept geben. Ich muss jetzt auflegen.“

„Hallo Mami“, sagt Marlene erst am Samstag wieder, weil sie am Donnerstag und Freitag noch mehr zu tun hatte als am Dienstag: „Ich vermisse dich. Kannst du dich erinnern, wie der Papa in Korsika aus dem Supermarkt geschmissen worden ist, weil er keine Schuhe anhatte? Wir sind heute einkaufen gegangen: barfuß. Und niemand hat etwas gesagt. Bussi!“


Keine Konflikte. „Hallo, Süße“, sagt mein Mann am Montag und am Dienstag und am Mittwoch und an allen anderen Tagen, an denen ich hier in Wien die Stellung halte, während Hannah via Interrail durch Frankreich fährt und Stephan mit Marlene in Eisenerz weilt. Er ist guter Dinge. Die Tage sind sonnig, die Nächte sind angenehm kühl, der See ist nah – sie haben eine kleine, ganz einsame Bucht gefunden, er schickt mir per SMS ein Foto von Marlene im grünen Wasser.

Hm. Ist doch super, dass die beiden sich so gut verstehen! Dass sie Großmuttis Küche genießen und barfuß im Garten nach Nacktschnecken suchen und am Abend zu Rapid halten.

Hm. Ist doch schön, dass sie im Leopoldsteinersee um die Wette bibbern, während mir hier nicht nur die Sonne einheizt, sondern auch das Entfeuchtungsgerät, das wir nach dem Wasserrohrbruch in der Küche brauchen.

Hm. Wenn er wenigstens erzieherisch ein bisschen versagen würde – ein ganz, ganz kleines bisschen. Wenn er ihr zum Frühstück Nutella servieren würde. Oder wenn er vergessen würde, sie ans Zähneputzen zu erinnern. Wenn mich Marlene ein einziges Mal anrufen würde und sagen, dass der Papa immer sooo gemein ist. Oder Stephan mir sagen würde, dass er sie einfach nicht dazu bringt, das Zimmer aufzuräumen. Aber nein: Sogar Posaune geübt hat Marlene!

Ja, das muss Eifersucht sein. Gemischt mit Sehnsucht, weil die beiden schon bald zwei Wochen weg sind. Gemischt mit Stolz auf meinen Mann, der ein so warmherziger und cooler Vater ist. Und mit Freude: Es tut gut, Marlenes fröhliche Stimme zu hören.

Morgen fahre ich sie besuchen.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2015)

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