Veränderungen

Das Schlafzimmer wird zum Büro, das Büro zum Kinderzimmer: Unsere Wohnung – und wie sie sich mit uns verändert.

Früher lebte hier ein Rittmeister Fritz. So steht es noch heute an unserer Tür. Mein Mann hat das Schild nie abnehmen lassen – für ihn ist es eine Erinnerung an die Witwe, die er noch kennengelernt hat, als er damals einen Stock höher wohnte. Er nannte die alte Dame immer Frau Rittmeister. Dabei hieß sie Frau Fritz! Rittmeister war die Dienstgradbezeichnung für Offiziere der Kavallerie.

Die Kavallerie ist Geschichte, der Rittmeister ist tot und auch seine so lebenslustige wie zähe Frau. Jetzt leben wir in dieser Wohnung, vorderer Trakt, 3. Stock. Zuerst zog mein Mann ein, wechselte die Leitungen aus und ließ ein Badezimmer einbauen. Dann kamen ich und eine Geschirrspülmaschine, die nach und nach die alten Bleirohre zum Platzen brachte. Schließlich beehrten uns erst Hannah, dann Marlene: Voller Tatendrang strich ich das Kinderzimmer orange. Zumindest war das der Plan. Für dessen Umsetzung kaufte ich orange Farbe, die mir ein bisschen zu dunkel war, weshalb ich sie mit Weiß mischte. Das Ergebnis war Rosa.

Warnung an alle Mütter und Väter: Wer rosa streicht, muss doppelt streichen, das zweite Mal in einer anderen Farbe.

Das schiefe Regal. Auch sonst musste mit den Jahren so manches adaptiert werden. Das Kindertischlein mit den putzigen Stühlchen wich veritablen Schreibtischen, statt Gitterbetten gab es welche zum Ausziehen, Regale für die Bilderbücher mussten her, für die ich erstmals zur Bohrmaschine griff, mit dem Ergebnis, dass ein Brett bis heute bedrohlich schief an der Wand hängt. Und mein Arbeitsplatz wanderte: Zuerst war es ja praktisch gewesen, die Kinder im Blick zu haben, später störte ich.

Und jetzt? Sind sie herausgewachsen aus dem Kabinett und den Holzbetten, was diesmal größere Umbauarbeiten erforderte, konkret wurde aus dem Kinderzimmer das Schlafzimmer, aus dem Schlafzimmer die Schreibstube meines Mannes, die wiederum zum Kinderzimmer mutierte. Jetzt hat jedes Kind seinen eigenen Bereich, und ich habe einen blauen Zeh und zweitens gelernt, dass man Regale vollständig ausräumt, bevor man sie verschiebt.

Es wird, das weiß ich, nicht der letzte Umbau bleiben. In zwei, drei Jahren wird sich Hannah wohl ein WG-Zimmer suchen, und irgendwann wird auch Marlene weiterziehen. Dann werde ich wieder mit dem Meterstab durch die Wohnung tigern und Ecken ausmessen, während Stephan sich verzieht, ich werde Kataloge wälzen und mich durch Einrichtungshäuser quälen, werde Dübel aus der Wand fitzeln, alte Löcher zuspachteln und neue bohren. Vielleicht wird aus dem gewonnenen Raum ja eine Bibliothek? Ein Gästezimmer?

Und dann?

Kurz denke ich an Frau Rittmeister. Sie wird für uns immer Frau Rittmeister bleiben.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2015)

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