Bedauern

Neun Prozent der Frauen und sieben Prozent der Männer bedauern, Eltern geworden zu sein, sagt eine vergangene Woche erschienene deutsche Studie. Und? Schlimm?

Ich bin ja eine begeisterte Mutter. Eine, die gern die Nachmittage auf Spielplätzen verbracht hat. Die jetzt mit Vergnügen ein halbes Dutzend Jugendliche in der Wohnung bewirtet und sich freut, wenn sie nach dem Abendessen noch ein bissl sitzen bleiben. Ich mag mir auch gar nicht erst vorstellen, welche Wendung mein Leben ohne meine Familie genommen hätte. Vermutlich würde ich heute unglaublich viel rauchen. Ja, ich bin so eine Klischeemama, wenn man die fragt, was die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen sei, sagt sie . . . Eh schon wissen.

Es gibt aber auch andere Mütter. Darüber reden wir seit etwa einem Jahr, da kam das Buch „Regretting Motherhood“ heraus. Eine israelische Soziologin hat dafür 23 Frauen interviewt, die lieber niemals Kinder in die Welt gesetzt hätten. Nicht, dass sie ihre Töchter und Söhne nicht liebten, hatten diese Mütter erklärt – aber das Leben wäre eben leichter, besser ohne sie. Das wurde abgetan mit dem Argument, die Mütter seien halt larmoyant und es handle sich gewiss nur um Einzelfälle.

Zumindest letzte Behauptung wurde jetzt eindeutig widerlegt. Die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ hat am Freitag eine Studie publiziert, wonach acht Prozent der Eltern ihre Elternschaft bedauern. Und weitere 11 Prozent würden „eher“ keine Kinder mehr bekommen“, wenn sie sich noch einmal entscheiden könnten. Das sind schon ziemlich viele. Fast ein Fünftel.


VerpflichtungzumGlück? Schlimm? Scheint so, wenn man die Kommentare zu der Geschichte liest. Scheint so, wenn man die Debatte verfolgt hat. Als wäre es verboten, eine Lebensentscheidung zu bereuen. Als gäbe es nicht nur die Verpflichtung, umsichtig und liebevoll mit unseren Kindern umzugehen, sondern auch eine Verpflichtung zum Glück. Als könnte es irgendjemandem helfen, wenn wir so tun, als sei alles in Ordnung. Als schade nicht viel mehr das Heilsversprechen, so ein Baby, so ein Kind könnte alles kitten und retten, was in unserem Leben zerbrochen und traurig ist.

Stellen denn unglückliche Eltern unser Glück infrage? Können wir uns einfach nicht vorstellen, was nicht sein darf?

Ich kann mir ja eine ganze Menge nicht vorstellen, eine Menge nicht verstehen. Zum Beispiel, warum manche Leute keine Katzen mögen. Ich meine: Katzen! Oder wie man von Triest enttäuscht sein kann. Warum Menschen in einer österreichischen Kleinstadt wohnen, wo es doch Wien gibt. Und warum mancher Angst vor dem Fliegen hat. Es gibt doch die Statistik! In all diesen Punkten habe ich zur Kenntnis genommen, dass auch möglich ist, was ich mir nicht oder nur schwer vorstellen kann.

Und so ist das mit „Regretting Motherhood“ eben auch.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2016)

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