Ich liebe Cola

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Ich gehe zum Automaten und ziehe mir eine Flasche für einen Euro, zehn Cent. "Hast du dir wieder diesen amerikanischen Mist geholt", sagt der Kollege.

Die Mama kannte da nix. Eh klar. Wir waren ja Kinder. Noch im Wachstum! Cola, das war Teufelszeug für Rabenbraten, voll mit Koffein und natürlich Zucker, das bekamen wir nur hin und wieder, ausnahmsweise, aber wirklich ganz ausnahmsweise und in verdünnter Form: Meine Mutter bestellte dann beim Hüttenwirt eine Flasche Cola und eine Flasche Fanta, die mischten wir, meine Schwester und ich, zu einem Getränk, das Spezi hieß oder immer noch heißt. Super! Sehr, sehr süß und ein klein bisschen sauer, cocacolig halt, wir tranken in winzigen Schlucken, und nach jedem winzigen Schluck verglichen wir den Inhalt unserer Gläser: Wer hatte noch mehr übrig? Wer war zu gierig gewesen?

Wir tranken noch, als die Eltern schon zum Aufbruch drängten.


Unbeaufsichtigt

Längst sind wir dem Spezi entwachsen, längst kann ich mir Cola kaufen, so viel ich will, tu ich aber nicht, weil ich selbst Kinder habe, die Cola lieben, es aber nur ausnahmsweise, echt ausnahmsweise bekommen. Man muss ja ein gutes Vorbild sein. Weil Eltern aber nicht immer gute Vorbilder sein können, gehen sie arbeiten. Im Büro sind sie unbeaufsichtigt. Da stehen sie dann vor der Tür und rauchen, kaufen sich Wurstsemmeln mit Essiggurkerln, futtern ungehemmt Mozartkugeln – und in meinem Fall kratze ich das Kleingeld zusammen, gehe zum Automaten und ziehe mir eine Flasche Cola für einen Euro, zehn Cent. Natürlich Coca-Cola, nicht Pepsi. Und natürlich das Original! Kein Cola Live, kein Cola Zero, kein Cola Light. Ich will den Zucker, und ich will das Koffein, wenn schon, denn schon. Noch auf dem Rückweg öffne ich die Flasche und nehme einen kräftigen Schluck. Ich fühle mich schon wacher! Sicher fällt mir jetzt gleich etwas ein!

„Na“, sagt der Kollege, „wieder diesen amerikanischen Mist geholt?“


Europäischer Dreck

Ich stelle mir vor, dass Tausende Kilometer entfernt eine Kollegin an ihrem Schreibtisch sitzt. Vielleicht in New York. Oder in Washington. Vielleicht schreibt sie auch an einer Kolumne und lässt, wie ich, gerade einen Blick über den Hinterhof schweifen. Eigentlich ist sie schon recht weit gekommen, ihr fehlen nur mehr ein paar Zeilen. Sie probiert dies, sie probiert das, keine Pointe will recht zünden. Da steht sie auf und geht zum Automaten, der im Gang verführerisch vor sich hin blinkt. Zurück kommt sie mit einer Dose Red Bull in der Hand. „Trinkst du schon wieder diesen europäischen Dreck!“, ruft ihr Kollege. Aber sie lacht nur.

Über den weiten, weiten Ozean prosten wir uns zu.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2016)

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