Mückenstiche

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Am Abend jedes Urlaubstags vergleichen Marlene und ich unsere Mückenstiche. "Acht", sage ich. "Ich habe zehn!", ruft sie. Sie hat gewonnen.

Es gibt ja zwei Arten von Mücken. Die erste sticht. Das juckt. „Mama, das juckt“, sagt Marlene, und dann schmiere ich Fenistil auf die rote Stelle. Das wird nicht viel helfen, denn Marlene wird kratzen, es gibt nämlich zwei Arten von Menschen: Welche, die kratzen, obwohl sie genau wissen, dass der Juckreiz davon nur noch schlimmer wird. Und welche, die sich beherrschen können. Marlene und ich gehören zur ersten Sorte. Am Abend jedes Urlaubstags vergleichen wir die Zahl der Stiche. „Acht“, sage ich. „Zehn“, ruft sie. Marlene hat gewonnen, mein Mann und Hannah spielen nicht mit, sie werden entweder nicht gestochen (behaupte ich) oder sie kratzen nicht (behaupten sie).

So ist es mit den Mücken, die einfach nur stechen. Aber dann gibt es noch die anderen. Die machen, dass du mitten in der Nacht wach wirst. Da ist doch was, denkst du dir. Und dann hörst du schon ein leises Surren, das langsam lauter wird, hoch und durchdringend. Es kommt näher! Und näher! Bis du glaubst, es sitze auf deinem Ohr, weshalb du dir in Windeseile selbst eine Ohrfeige gibst. Ha! Erwischt! Ruhe!

Evolution

Doch was für ein Irrtum: Zumindest in der Welt, in der ich lebe, im Urlaub, den ich mache, ist die Bestie noch jedes Mal entkommen, also geht alles von vorn los, leises Surren, lautes Surren, Ohrfeige, Ruhe, ich hoffe, leises Surren, lautes Surren, Ohrfeige und so fort, bis mein Mann sich schlaftrunken aufrichtet: „Was treibst du, bitte?“ Was eine wirklich blöde Frage ist, er müsste das wissen, von vergangener Nacht und der Nacht davor, ich treibe den Teufel aus, den Teufel in Gestalt einer Mücke, Evolution allein kann die Existenz eines solchen Wesens nämlich nicht erklären: Wieso sollte ein Tier sein Opfer warnen, bevor es sich an ihm gütlich tut? Das hat sich ein Sadist ausgedacht!

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Ich ziehe mir das Leintuch über den Kopf, ersticke fast, was mich mit der Ungerechtigkeit der Welt im Allgemeinen und der Mücken im Besonderen hadern und mich wünschen lässt, dass sich die Biester einmal, bitte nur einmal an meinem Mann satttrinken. Oder wir gehen zu zweit auf die Jagd. So wecken wir die Kinder auf, das erhöht unsere Chancen beträchtlich: Die haben nämlich eine super Waffe, sie nennt sich Pandi, ist ein Kuscheltier und eignet sich von Form, Befüllung und Größe her perfekt zum Mücken-von-der-Wand-Schießen. Auf Elba haben wir damit in einer Viertelstunde 21 Stück erlegt! Die andere Tochter braucht solche Hilfsmittel gar nicht, die fängt Mücken wie unsere Katzen Fliegen. Ein Sprint, ein kurzer Hieb, zurück bleibt ein Blutfleck.

Seit heute sind wir übrigens wieder in Wien. Mückenlos. So hat das Ende des Urlaubs zumindest etwas Gutes.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2017)

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