Am Herd

Was hilft ein Kopftuchverbot?

Studenten in einem Hoersaal an der Technischen Universitaet Berlin Deutschland Students at Techn
Studenten in einem Hoersaal an der Technischen Universitaet Berlin Deutschland Students at Techn(c) imago/photothek (Thomas Koehler/photothek.net)
  • Drucken

Vor zehn Jahren habe ich an dieser Stelle ein Kopftuchverbot an Schulen gefordert. Warum ich meine Meinung dazu geändert habe – und nicht nur ein Mal, sondern mehrmals.

Die Sache war für mich klar, im Jahr 2008. In Frankreich klappte es, in der Türkei klappte es, warum nicht auch bei uns? Das Kopftuchverbot an Schulen. „Bei allem Werterelativismus“, schrieb ich, „gibt es ein paar Dinge in unserer Gesellschaft, die es zu verteidigen lohnt. Gleichberechtigung gehört dazu. Trennung von Staat und Religion.“

Tja. So dachte ich damals, so dachte und schrieb ich ganz ähnlich auch 2012, was mir böse Leserbriefe eintrug, auch von katholischer Seite, und einen Hinweis: In Frankreich, so eine Leserin, nähmen Väter ihre Töchter aus der Schule. Musliminnen aus orthodoxem Hause hätten kaum eine Chance auf Bildung und Aufstieg. Na gut, dachte ich: Dann Kopftuchverbot halt nur bis Ende der Schulpflicht. Im Alter von 15Jahren können die Mädchen ja wirklich selbst entscheiden. Problem gelöst.

Problem natürlich nicht gelöst. Denn wenn ich ein Kopftuch ab 15 erlaube – mache ich es damit nicht erst cool? Ha, seht her, ich bin erwachsen!

Druck von Gleichaltrigen. Außerdem ist das Kopftuch von 2008 nicht das Kopftuch von 2018. Damals war es etwas, was aufsässige Teenager in der Schultasche versteckten, sobald sie in der Straßenbahn in Richtung Schule saßen, und was sie, wenn sie es schon tragen mussten, oft mit hautengen Jeans und ziemlich viel Schminke kombinierten. Heute ist das Bild diffuser, und so ändere ich meine Meinung im Monatstakt: Wenn ich bei Sibylle Hamann lese, wie sehr drei syrische Schwestern sich ein Verbot wünschen, weil damit der Druck durch die Eltern wegfiele – dann bin ich auch dafür. Aber wenn Hannah mir von Elif erzählt, dann bin ich eher dagegen. Denn für Elif war das Kopftuch auch ein Test: Gehöre ich wirklich zu euch? Akzeptiert ihr mich, wie ich bin? Dann lese ich im „Biber“ über den Druck, der von Burschen ausgeht, die in den Klassen Religionspolizei spielen. Und finde, dem muss man einen Riegel vorschieben. Bis ich in der „Presse“ erfahre, dass Volksschullehrerinnen kaum Kopftuchmädchen in der Klasse haben – und wenn, dann hätten sie halt das Gespräch mit den Eltern gesucht. Das klappt fast immer. Vielleicht reicht ja oft reden?

Immer noch fände ich es gut, würden religiöse Symbole aus der Schule verbannt und hätten die Mädchen die Chance, in diesem Raum auszuprobieren, wie sich das anfühlt: ohne Kopftuch. Aber vor allem möchte ich, dass muslimische Mädchen ihren Platz in unserer Gesellschaft finden, selbstbewusst, offen und frei. Frei von religiösen Zwängen. Aber auch frei von Diskriminierung.

Wenn ein Kopftuchverbot dabei helfen sollte: Unbedingt! Wenn es Zweifel daran gibt: Dann sollten wir noch einmal überlegen.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.