Rütteln an den Brettern vor den einheimischen Köpfen

Anders als „Die Presse“ berichtet hat: 20 Prozent ausländische Studierende sind sehr im Sinne der heimischen Universitäten.

Zu den guten österreichischen Traditionen zählt es, über die Universitäten zu nörgeln. Auch wenn das völlig am Thema vorbei geschieht – etwa auf der Xenophobie-Schiene, bemäntelt als wirtschaftliche Analyse, wie dies just am 2. April auf der Titelseite der „Presse“ geschah. „Ausländische Studenten als Belastung“ hieß es da. Die etwa 20 Prozent ausländischen Studierenden studierten das Falsche, verursachten mehr an Kosten, als sie an Steuern einbrächten; zu wenige dienten ihre Schuld ab, indem sie nach Ende ihres Studiums in Österreich blieben, und sie kämen aus den „falschen“ Ländern, so der Tenor des Aufmachers.

Na so was! Da füttert man die Unis mit gutem Steuergeld durch, und dann parasitieren daran auch noch die Ausländer! Die Unis sind aber nun einmal keine simplen Produktionsbetriebe. Ihre zentrale Aufgabe ist nicht so sehr die Berufsausbildung, sondern vielmehr, die Studierenden mit wissenschaftlichem Denken zu sozialisieren, um sie dann als Botschafter der Aufklärung und als kritische, selbstständig denkende Köpfe in die internationalisierte Gesellschaft zu entlassen. Die braucht diese Leute heute dringender als Zypern sein EU-Rettungspaket. Überlebenswichtig in einer Zeit der Dominanz des geistigen Analphabetentums und des Konsums.

Sie braucht sie beispielsweise, um zu erkennen, dass wir Idioten jene Banken mit unserem Steuergeld retten, deren Manager zuvor ihre unverschämten Prämien wie Mädchen-, Drogen- und Waffenhändler und mit Duldung des Staates steuervermeidend nach offshore verschoben haben.

Auch intern werden die Unis immer mehr ökonomisiert. Teils zu Recht, denn wer lehrt und forscht, dem sollte nicht egal sein, woher das Geld dafür kommt und was man dafür abliefert. Andererseits haben Unis ökonomisch schwierig erfassbare Erfolgskriterien. Rufer in der Wüste wie Konrad Paul Liessmann weisen immer wieder darauf hin, dass es vor allem um Bildung geht. Daher sind 20 Prozent ausländische Studierende eigentlich sehr im Sinne der heimischen Unis und unserer zunehmend internationalisierten Gesellschaft.

Ist es nicht toll, dass diese klugen jungen Leute mit ihren Einstellungen, ihrer Kreativität, ihrem Anderssein den heimischen Studien- und Forschungsbetrieb auf allen Ebenen (und das Leben in den Uni-Städten) enorm befruchten, dass immerhin doch ein Drittel von ihnen bleibt? Und damit nebenbei auch an den Brettern vor einheimischen Köpfen rüttelt. Unbezahlbar, eigentlich. Und eine Schande, dies nur durch die xenophob-ökonomische Brille zu sehen.

Die heimischen Unis verstehen sich sicher nicht als Titelfabriken für unsere Maturantinnen. Sie sind vielmehr Foren der Auseinandersetzung mit den Ideen und Theorien der Welt. Mir selbst waren Studierende von anderswo noch nie eine Last. So etwa besteht die Kerntruppe unseres FWF-finanzierten Uni-Doktoratskollegs „Kognition & Kommunikation“ aus über 40 Professoren, Postdocs und Dissertanten, 80 Prozent davon nicht aus Österreich. Die Arbeit mit den besten jungen Köpfen beflügelt den Geist, macht enorm Freude, erregt viel studentisches Interesse, verbessert die internationale Position und Vernetzung der Wiener Universitäten. Natürlich kostet das. Aber ist das schlecht investiertes Geld für Österreich und die heimischen Studierenden? Ich glaube nicht.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2013)

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