Wie Heinisch-Hosek Österreich aus der Welt des Wissens ausklinkt

Der von der Ministerin verfügte Verzicht auf die PISA-Tests als weiteres Beispiel für die Mittelmäßigkeit der Politik.

Man könnte meinen, es sei die selbstverständliche Pflicht der Frau Unterrichtsminister, Daten zur Qualität der Arbeit an heimischen Schulen zu sammeln. Leider weit gefehlt. Die Abschaffung sämtlicher Überprüfungen der Bildungsstandards durch Gabriele Heinisch-Hosek unter der fadenscheinigen Begründung des Datenschutzes mag manche Leute freuen, die von dieser ganzen Testerei – nicht ganz zu Unrecht – ohnehin nie viel gehalten haben.

Das Abschneiden der Länder bei PISA aber korreliert mit deren wirtschaftlicher Dynamik und Innovationsfähigkeit. PISA kann also nicht ganz irrelevant sein. Ein Verzicht auf solche Datenerhebungen bedeutet unter anderem, dass die Frau Minister uns allen die Informationsgrundlage zum Zustand des Bildungssystems entzieht und sich gleichzeitig als wissens- und wissenschaftsfeindlich outet. Kann man einer Unterrichtsministerin einen schlimmeren Vorwurf machen? Traut man jemandem mit einer solchen Mentalität die notwendigen Reformen des Bildungssystems zu?

Mit Ausnahme von Nordkorea sind alle Länder Teil einer in Informationsfluss, Wirtschaft und Politik globalisierten Welt. Wenn also das kleine Österreich nun die Überprüfungen der Bildungsstandards einstellt, nimmt es sich damit als internationaler Partner aus dem Spiel und wird für andere weniger berechenbar. Bildungsstandards zu überprüfen gilt im internationalen Konsens als Teil der Best Practice. Österreich hat sich soeben ausgeklinkt, was international nicht unbemerkt bleiben und unserem Ansehen enorm schaden wird. Der Schritt ist auch nicht gut für den Wirtschaftsstandort. Ob das der Frau Minister klar war? In einer globalisierten Welt ist Innenpolitik eben immer auch Außenpolitik.

Besonderer Schaden entsteht durch die Einstellung der Testreihen auch für die Schulentwicklung und Bildungsforschung. Wie soll man denn wissen, wohin der Tanker fährt, wie soll man nachjustieren ohne die relevanten Daten? Gerade zu Zeiten, da zumindest ein wenig Bewegung in den Bildungssektor gekommen ist, setzt man auf nix wissen. Schlimm, zumal die Neue Mittelschule ja auch nicht unumstritten ist. Wenig überraschend wettert der noch von der früheren Unterrichtsministerin Claudia Schmied als BIFIE-Direktor geschasste Bildungsforscher Günter Haider gegen sie. Auch aus Lehrerkreisen hört man Bedenkliches.

Die Politik beabsichtigt, die Schulreform im Blindflug weiterzuführen. Man dreht weiterhin nur kleine Schräubchen oder will gar nichts tun. Wieder einmal die typisch österreichische Wahl zwischen Pest oder Cholera, so scheint's. Der freiwillige Wissensverzicht der Ministerin wirft ein bezeichnendes Licht auf die Mittelmäßigkeit der Politik. Evidenzbasiert ist das sicherlich nicht, bestenfalls bauernschlau. Das Abdrehen sämtlicher Erhebungen lässt selbst nach österreichischem Maßstab auf eine für eine Ministerin bedenkliche Wissenschafts- und Rationalitätsferne schließen.

Zudem erbrachten die PISA-Tests nicht nur Einsichten zur Leistung der heimischen Schüler im internationalen Vergleich, sie katalysierten auch mehr Interesse an der Schule als je zuvor. Diese demokratische Debatte will die Frau Minister ganz offensichtlich abdrehen. Aber was soll's? Ist nur eines von vielen Beispielen, wie die Politik laufend und fahrlässig gegen beste Verfahren und Methoden verstößt, vor allem in den Bereichen Bildung und Forschung. Dabei sei auch noch einmal an die zukunftsgefährdende Unterfinanzierung der Grundlagenforschung erinnert.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2014)

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