Drum prüfe, wer sich ewig bindet ...

Es wird immer mehr und später geheiratet – und viele lassen sich wieder scheiden.

Fast 40.000 Ehen werden pro Jahr geschlossen, plus 400 eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Die Scheidungsrate liegt allerdings teils erheblich über 40%. Die mittlere Dauer der geschiedenen Ehen verlängerte sich seit 1981 von 7,7 auf 10,7 Jahre. Man heiratet heute im Schnitt erst mit 30 Jahren und bleibt länger zusammen, dennoch scheitert nahezu jede zweite Ehe. Liebe kann bekanntlich ein schlechter Ratgeber sein. Ist sie verflogen, entwickeln sich gegenläufige Vorstellungen. Man meint, doch nicht so gut zusammenzupassen, oder frustriert einander mit meist kitschigen Vorstellungen vom Glück; Alltag und Arbeitsstress zerreiben die Sympathie, und oft versprechen andere Partner ein neues, besseres Glück.

Zusammensein bereichert, erfordert aber auch Abstriche am eigenen Ego. Partnerschaft bedeutet, sich anzupassen, oft auch was die Karriere betrifft. Früher passten sich die Frauen an die Männer an. Das ist heute meist nicht mehr so. Menschen, die heiraten, tun dies wohl kaum im Vorsatz, sich bald wieder scheiden zu lassen – wer scheitert schon gern? Darum lebt man oft Jahre zusammen, bevor der Entschluss fällt, zu heiraten. Was zwar die Chance auf ein längeres oder sogar „ewiges“ Zusammenbleiben erhöht, aber auch keine Garantie bietet.

Langzeitmonogamie ist eine evolutionäre Anpassung zum Aufziehen von Nachwuchs. Aufgrund der unterschiedlichen Möglichkeiten der Männchen, dazu beizutragen, sind etwa 90% der Vogelarten monogam, aber kaum einmal zehn Prozent der Säugetiere. Beim Menschen entscheidet zwar beileibe nicht nur die Biologie über die Dauer einer Partnerschaft, aber sie mischt kräftig mit. So etwa hält die Phase der anfänglichen Liebe nur ein paar Jahre an, so lange, wie es gewöhnlich braucht, ein Kind aus dem Gröbsten rauszubringen.

Wenn es die Partner in diesen Jahren nicht schaffen, eine starke Beziehung und gemeinsame Interessen zu entwickeln, dann sieht es düster aus. Warum manche Paare lebenslang zusammenbleiben, viele aber nicht, bleibt im Detail unklar. Es gilt die grobe Regel „Gleich und Gleich ...“. Gegensätze mögen einander zwar anziehen, ergeben aber selten eine harmonische, dauerhafte Partnerschaft. Eine gleichgeschlechtlich orientierte Kollegin aus den USA meine einst, ab einem gewissen Alter sei das Geschlecht des Partners eigentlich egal, was zählt, sei die Sozialversicherungsnummer; mag schnoddrig klingen, aber Pragmatismus ist kein Fehler, soll die Partnerschaft halten.

Wie auch beim Menschen gibt es bei den meisten Tierarten mit langzeitmonogamen Beziehungen lange Verlobungsphasen, bei Raben und manchen Papageien etwa bis zu drei Jahren, bei Graugänsen bis zu einem Jahr. Und weil man nie weiß, ob „was Besseres“ nachkommt, hält oft auch eine suboptimale Partnerschaft erstaunlich lang. Auch bei Tieren sind übrigens beim Langzeitpartner Sex und Vermehrung nicht unbedingt das Hauptthema. Bei Graugänsen etwa entscheidet, unseren Ergebnissen zufolge, die „emotionale soziale Unterstützung“, also die beruhigende Wirkung der Anwesenheit des Partners, über die Qualität, also Dauer und Erfolg, einer Beziehung. Auch beim Menschen gilt: Können Partner einander beruhigen und entspannen, bleiben sie zusammen. Bereiten sie einander vorwiegend Stress, dann geht man schließlich auseinander. Also doch eine Menge Biologie, auch in den Partnerschaften der Menschen.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2014)

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