Zu wenig Grundlagenforschung bewirkt wirtschaftliche Stagnation

Die Sorge um die geringe Dotierung der Grundlagenforschung bewog 46 Kuratoren des Wissenschaftsfonds zu einem offenen Brief an die Regierungsspitze.

Der Mangel an Spitzenforschern gefährde den Standort, so die jüngst erhobene Meinung führender Firmenchefs. Die Gründe dafür? Neben einem reformbedürftigen Bildungssystem vor allem die chronisch unterfinanzierte Grundlagenforschung. Sie schafft nicht nur die Basis für Innovation auch im angewandten Bereich, sondern bildet auch jenen exzellenten Nachwuchs aus, an dem es der Wirtschaft offenbar mangelt. Als einzige Institution fördert hierzulande der Österreichische Wissenschaftsfonds (FWF) in nennenswertem Ausmaß exzellente Grundlagenforschung. Die ernste Sorge um seine gefährlich geringe Dotierung bewog nun 46 der für die Mittelvergabe des FWF verantwortlichen Kuratoren (ich bin einer davon), sich mit einem offenen Brief an die Regierungsspitze zu wenden, den ich hier kurz zusammenfassen möchte:

Die Bewilligungsquote des FWF für eingereichte Anträge sinke kontinuierlich, betonen die FWF-Kuratoren in ihrem Brief. So könne man exzellent begutachtete Anträge im Volumen von etwa 70 Millionen pro Jahr nicht fördern. Das demotiviere die Wissenschaftler, Österreich verzichte auf innovative Forschungsvorhaben und vergeude so seine wertvollen Humanressourcen; der Standort würde dadurch auch für internationale Topwissenschaftler immer unattraktiver. Aus Finanznot sei das Präsidium des FWF gezwungen, eine Mehrjahresplanung des Mangels vorzuschlagen und Förderprogramme auf breiter Front zurückzufahren. Der weitere Braindrain sei programmiert. Jedes Kuratoriumsmitglied kennt bereits junge Kollegen, deren Rückkehr aus dem Ausland aufgrund fehlender Mittel nicht möglich sei. Eine katastrophale Entwicklung angesichts der Bedeutung der Grundlagenforschung als Innovationsmotor! Forschung schafft die Möglichkeit, den Wirtschafts- und Sozialstand in Österreich zu halten, zu wenig Grundlagenforschung bedeute immer auch eine Schwächung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prosperität.

Mit 200 Mio. Euro p. a. sei der FWF extrem unterdotiert. Er wird daher Bewilligungen und Programme künftig noch weiter reduzieren müssen. Zum Vergleich: Der Schweizerische Nationalfonds als Pendant des FWF vergibt dagegen etwa 850 Mio. Euro pro Jahr. Aber auch im Vergleich mit Förderungen in anderer Sektoren der Volkswirtschaft stehen beschämend wenig Mittel zur Verfügung. Damit der FWF seiner Rolle einigermaßen gerecht werden kann, bedürfe es einer Dotierung von mindestens 270 Mio. Euro p. a. plus einer jährlichen Steigerung von fünf Prozent. Das Kuratorium des FWF fordert daher die Regierenden mit Nachdruck auf, dem FWF Projektbewilligungen in der notwendigen Höhe zu ermöglichen.

Nicht als Selbstzweck, sondern zum Wohl Österreichs, wie ich eigenständig hinzufüge. Man riskiert leichtfertig den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts, zumal man etwa in Österreich im Gegensatz zu Deutschland mit seinen vielen Förderinstrumenten allein auf den FWF angewiesen ist. Dass der österreichische FFG, also der Fonds zur Förderung der angewandten Forschung, über gut 600 Mio. Euro p. a. verfügt, ist ganz in Ordnung. Die 200 Millionen Euro des FWF sind dagegen aber viel zu wenig, auch in Relation zu beachtlichen 3,5 Milliarden Euro an Steuermitteln, die jährlich in Research und Development fließen, in der Regel ohne jene hochkarätige Effizienz- und Qualitätskontrollen, wie sie beim FWF selbstverständlich sind.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau. Emails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2015)

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