Die Willkommenskultur erlebt ihr Waterloo: Am Kölner Domplatz

Der Kern der liberalen Demokratie liegt in der Zähmung der männlichen Sexualität – plus der Emanzipation der Frauen.

Die Willkommenskultur des liberalen Europa erlebt gerade ihr Waterloo. In Köln – und nicht nur dort – fielen fremdländische Männer über „unsere“ Frauen her. Dass es ein „islamischer“ Mob war, darf wegen der Alkoholisierung der Akteure bezweifelt werden. Eine soziologische Erklärung war rasch gefunden: Die jungen Männer kommen aus extrem patriarchalen Gesellschaften, in denen Frauen nichts wert und daher auch sexuell Freiwild sind. Diese Männer finden sich nun unterbeschäftigt und isoliert in einer Gesellschaft wieder, deren Frauen es sich lange und mühsam erkämpft haben, selbstbestimmt gekleidet zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit im öffentlichen Raum unterwegs zu sein.

Es ist noch nicht lange her, dass auch bei uns Frauen ob ihres „aufreizenden“ Äußeren Mitschuld an der eigenen Vergewaltigung gegeben wurde. Daher finde ich es zum Kotzen, dass nun Polizeioffizielle den Frauen empfehlen, eben dezenter gekleidet und in männlicher Begleitung unterwegs zu sein. Nichts anderes als das tumbe Eingeständnis der Niederlage. Das zeigt, wie leichtfertig die liberalen europäischen Ideale aufgegeben werden.

Die sozialwissenschaftlichen Erklärungen sind sicherlich richtig, greifen aber zu kurz, zumal ein europäisch-männliches Überlegenheitsgefühl nicht angebracht ist. Bereits vor Jahrzehnten belegte der Humanbiologe Randy Thornhill, wie leicht ganz normale Männer zu Vergewaltigern werden. Er zeigte auch, dass man Sexualität und Gewalt nicht so säuberlich trennen kann, wie uns das manche Sozialwissenschaftlerinnen einreden wollen. Seit es Menschen gibt, wird die systematische Vergewaltigung von Frauen der Gegner als Waffe eingesetzt. Das war in Österreich nach 1945 hautnah zu erleben – und zeigt sich in allen Kriegen seither.

Das fließende Kontinuum zwischen einvernehmlicher Sexualität und brutalem Vergewaltigen ist der Evolution geschuldet. So geht die soziosexuelle Gewalt in allen Gesellschaften beinahe ausschließlich von den Männern aus.

Möglich, dass das Demütigen der „anderen“ durch sexuelle An- und Übergriffe auf „deren“ Frauen ein Motiv des Kölner Mobs war. Das sollte man aber angesichts der Gepflogenheiten gegenüber den Frauen in den Herkunftsländern nicht überbewerten.

Der Kern der liberal-aufgeklärten Demokratie liegt in der Zähmung der männlichen Sexualität und sozialen Dominanz, verbunden mit der Emanzipation der Frauen. Damit ist sie allen anderen Gesellschaftsformen überlegen. Denn nur, wo Frauen und Männer ihre Positionen frei verhandeln können, wo sich beide Geschlechter einbringen, blühen Kreativität, Bildung und Gemeinwohl. Die Katastrophen in Nordafrika und im Nahen Osten entspringen ja vor allem auch der Unterdrückung der Frauen. Mit dem Finger zeigen sollten wir dennoch nicht, denn in manchen Bereichen funktioniert der Frauenausschluss auch hierzulande noch erschreckend gut.

Also die Grenzen dicht und Ausländer raus? Das verbietet sich in den liberal-aufgeklärten Demokratien aus menschlich-ethischen Gründen. Bleibt also nur, die Probleme zu erkennen und mittels einer selbstbewussten Staatsgewalt klare Grenzen zu setzen.

Auf Dauer wird uns aber nicht die Polizei retten, sondern nur die Integration der Ankömmlinge und massive Bildungsanstrengungen. Was natürlich auch die Begrenzung der Zuwanderung auf ein bewältigbares Maß erfordert.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2016)

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