Mit „Open Innovation“ zur schönen neuen Welt?

Innovation kann nur gelingen, wenn die Hausaufgaben in Bildung, Grundlagenforschung und Unis erledigt werden.

Von der Spitzengruppe der innovativsten Länder der Welt setzt sich Österreich immer weiter nach hinten ab. Diese Gefahr für die heimische Zukunftsorientierung wurde von der Bundesregierung – spät, aber doch – erkannt. Man reagiert etwa mit der 2015 gestarteten Initiative „Open Innovation“ (OI). In diesem Rahmen trafen einander am 18. Jänner in der Wirtschaftskammer Wien zahlreiche Leute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgergesellschaft.

Dieser „Stakeholder Workshop“ (Deutsch war gestern, die Zukunft ist halt Englisch) des Wissenschafts- und Infrastrukturministeriums, gemeinsam organisiert mit dem Austrian Research Council, war also breit aufgestellt. Man diskutierte neue Innovationsstrategien durch Zusammenführen dezentralen Wissens, auch über die üblichen Institutionen hinaus. Ein wichtiges Ziel angesichts des in Österreich noch immer starken Kastl- und Kastendenkens!

Definieren könnte man OI als „verteilten Innovationsprozess, basierend auf gerichteten Wissensströmen über Organisationsgrenzen hinweg, bei dem in flexiblem Ausmaß finanzielle Mechanismen im Einklang mit dem Geschäftsmodell der jeweiligen Organisation zum Einsatz kommen“. Alles klar? Damit zeigt sich die wirtschaftliche Ausrichtung, die ja als Motivation für viele Innovationsprozesse grundsätzlich nichts Böses ist.

Dass sich Wissenschaftler über die zunehmende „Ökonomisierung“ beklagen, mag dennoch berechtigt sein; sehr im Gegensatz zum Komplex vieler Ökonomen, von den Wissenschaftlern eh nur abgelehnt zu werden. Dem ist nicht so. Man sollte es einfach mit mehr wechselseitigem Verständnis ohne Dominanzanmutungen versuchen. Keine Innovation ohne Offenheit, der Kampf gegen alte Schneckenhäuser und für neue Kommunikationsstrategien kann nur positiv sein.

Eine Vortragende nannte als Beispiele für OI-Proponenten Hedy Lamarr, John Harrison und Albert Einstein. Die Schauspielerin Lamarr entwickelte eine Funkfernsteuerung für Torpedos; der Uhrmacher und Autodidakt Harrison löste im 18. Jahrhundert das „Längenproblem“, eines der größten damaligen Hindernisse für sichere Hochseeschiffahrt. Die Meriten Einsteins, eines Schreiberlings am Schweizer Patentamt, kann ich als bekannt voraussetzen.

Sicherlich sind das alles Beispiele für Leistungen, die von außerhalb der üblichen Institutionen, die aber nicht aus dem Nichts kamen: die Kreativität von Lamarr, Harrison und Einstein basierte auf unterschiedlichem, aber hervorragendem Wissen.

Warum aber werde ich das Gefühl nicht los, dass die Open-Innovation-Initiative der Regierung das Haus vom Dach her zu bauen beginnt? Die wichtigste Basis für Innovation bilden zweifellos kreative und offene Denker. Um die heranzuziehen, braucht es aber endlich eine Bildungsreform, die solche Denker konsequent vom Elternhaus und Kindergarten weg bis zur Universität fördert, bei gleichzeitiger Vermittlung von gutem altem Wissen und nicht bloß von Prozesskompetenz.

Will man mit glitzerndem OI-Tand und Zukunftsvisionen davon ablenken, dass die Grundlagenforschung als eines der wichtigsten Glieder in der Innovationskette – und mit ihr die Unis – obszön unterfinanziert und strukturell vernachlässigt sind? Innovation ist ein gesellschaftliches Gesamtkunstwerk. Die Vision OI kann aber nur erfolgreich sein, wenn die Regierung endlich ihre Hausaufgaben bezüglich Bildung, Grundlagenforschung und Unis erledigt.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2016)

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