Nonstop Pappnasen: Warum es Gott mit uns Menschen lustig hat

Menschen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie trotz ihrer Begabung zur Vernunft allzu oft irrational handeln.

Wenn Gott gern lacht, dann hatte er es angesichts des närrischen Treibens der heutigen Menschheit nie zuvor so lustig. Denn Menschen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie trotz ihrer Begabung zur Vernunft allzu oft irrational handeln. Dieses Missverhältnis stürzte letztlich die Welt ins heutige Multitrauma. Irrationales Handeln charakterisiert Menschen, seit es sie gibt. Aber wir waren noch nie so viele, darum hatten wir es auch noch nie zuvor so lustig auf der Welt.

Dass Menschen überwiegend an der eigenen Dummheit, Unachtsamkeit oder Schlamperei sterben, behaupte ich nicht nur, das lässt sich mühelos belegen. Besonders absurden hoppala-suizidalen Akutfällen wird etwa posthum der Darwin-Award verliehen. Googeln Sie einfach danach, Sie werden es nicht glauben! Man ist den Preisträgern dankbar, weil sie ihre offensichtlich untauglichen Gene aus dem Pool der Menschheit entfernt haben. Eine Art freiwilliger Eugenik; die auf diese Weise angestrebte Verbesserung unserer Art hat allerdings noch nie wirklich funktioniert...

Jenseits der spektakuläreren Fälle umgibt uns chronische Irrationalität. Beispiele gefällig? Schon lang wissen wir, dass Hauptfaktoren für ein langes, glückliches und gesundes Leben eine balancierte Emotionalität ist, ebenso gute soziale Beziehungen. Und natürlich sollte man nicht rauchen. Dennoch sind wir von Mieselsüchtlern und Rauchern umgeben, oft in Personalunion. Irrationalität macht aber auch vor Akademikern nicht halt. So kenne ich gestandene Naturwissenschaftler, die Kupferarmbänder gegen Erdstrahlen tragen (man kann ja nie wissen...). Und vergangenen Donnerstag weigerte sich Rudolf Taschner in seinem „Quergeschrieben“, neurobiologische Ergebnisse als relevant für die Diskussion um den freien Willen zu erachten, den heiligen Gral rationalistischer Selbstüberschätzung. Kaum je zuvor bekannte sich ein Wissenschaftler so offen zur Irrationalität. Danke, lieber Kollege, wir haben sehr gelacht!

Im Übermaß beherrscht Irrationalität auch die Politik. Die Völkerwanderung durch den Balkan erinnert an den Auszug aus Ägypten. Und das zu einer Zeit, in der Flugzeuge diese Menschen mit einem Bruchteil an Zeit und Kosten transportieren könnten. Dass es diese Ströme überhaupt gibt, liegt an der Irrationalität des Krieges und an der Unversöhnlichkeit von Einzelinteressen mit dem Gemeinwohl. Aber auch daran, dass die Rationalität der Verantwortungsethiker gegen die Übermacht der Ach-so-menschlichen Gesinnungsethiker keine Chance hat.

Das Ideal der Aufklärung war es, durch Vernunft zu einer vernünftigen Gesellschaft zu gelangen. Der Teufel liegt natürlich darin, dass Ratio und Logik gegen unsere irrationalen Anteile viel zu wenige Chance haben. Sonst würde ja niemand mehr rauchen. Aber wieso eigentlich Teufel? Vielleicht ist es ja der Faschingsgott.

So ich an ihn glauben könnte, hätte ich wohl meine eigene Sicht auf das Theodizee-Problem. Anstatt zu fragen, warum er so viel Unglück und Elend zulassen kann, würde mich interessieren, warum Menschen so konstruiert sind, dass sie das Richtige zwar erkennen können, aber partout nicht danach handeln wollen. Vielleicht, weil dieser Gott täglich eine Riesengaudi beim Zusehen haben will und rationale Menschen zu langweilig wären? Wenn er uns tatsächlich nach seinen Ebenbild geschaffen hat, einschließlich des schwarzen Humors, dann sollte ihn dieser ja auch selbst auszeichnen.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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