Rot-schwarze Rettung oder ein blaues Wunder?

Die heutige FPÖ grenzt sich gern gegen die Eliten ab. Eine verbale Kulturrevolution, die direkt die Wissenschaftler trifft.

Angesichts der politischen Entwicklungen steigt die Verunsicherung in der heimischen Wissenschaftsszene. Zur Erinnerung: Die schwarz-blauen Regierungen von Wolfgang Schüssel brachten mit strukturellen und finanziellen Weichenstellungen die Wissenschaft endlich auf den Weg und begründete deren Zwischenhoch vor etwa zehn Jahren. Genauer: die schwarze Fraktion dieser Regierung. In so manchen blauen Ministerien hingegen herrschten hektische Führungswechsel und Inkompetenz. So konnte die Abschaffung des Wissenschaftsfonds FWF gerade noch abgewendet werden. Glück gehabt, denn ohne FWF wäre die exzellente Grundlagenforschung hierzulande mausetot.

Seither ruhen sich Große Koalitionen auf den Lorbeeren aus. Politischen Bekenntnissen zur zentralen Rolle der Grundlagenforschung in der Innovationskette folgten kaum Taten. Vor etwa acht Jahren drehte sich daher der Trend sogar wieder nach unten. Die Unis bleiben bei steigenden Zahlen an Studierenden unterfinanziert, der FWF dümpelt bei 20 Prozent Genehmigungsrate und 200 Millionen Budget pro Jahr; dabei brauchte er bloß 300 Millionen.

Erschütternd, dass es die Regierungen Gusenbauer und Faymann nicht schafften, aus den vier Milliarden für Forschung und Entwicklung vorgesehenen Mitteln umzuschichten und damit die Wissenschaft im Steigflug zu halten. So verlassen uns heute die besten jungen Köpfe, viele kommen nie wieder zurück.

Mit Christian Kern soll nun alles anders werden. Die Botschaft hören wir wohl, aber in den Stellungnahmen zum Aufbruch rangiert die Wissenschaft schon wieder unter ferner liefen. Das hat Tradition in den rot-schwarzen Koalitionen der Zweiten Republik, in denen Wissenschaft immer Nebenthema war. Die SPÖ verwechselte die Unis seit der Uni-Reform 1975 unter Herta Firnberg mit einer ideologischen Spielwiese und blieb zur ach, so elitären Wissenschaft auf kühler Distanz. Die bündedominierte ÖVP blieb Wissenschaft und Unis gegenüber immer lauwarm-misstrauisch: kein eigener Bund, daher offenbar nicht wichtig genug.

Kern & Co. ist hoffentlich klar, dass der nötige Aufbruch mit seinem Fokus auf Wirtschaft und Arbeitsplätzen ohne Wissenschaft und Bildung im Paket nicht klappen kann. Die Koalition der letzten Chance muss jetzt handeln, zumal von einer kometenhaft aufsteigenden populistischen FPÖ für die Wissenschaft wenig zu erwarten ist. Populisten reden und handeln bekanntlich mehr als andere Politiker nach dem Geschmack ihrer Klientel – ohne viel Sorge um das Staatsganze.

Dass das jüngste 50:50-Ergebnis keinen Rechtsruck darstellt, glaubt übrigens auch nur unser neu gewählter Bundes-VdB in seinem Bestreben, innenpolitische Gräben zuzuschütten. Ein solches Zudecken aber nützt nur den blauen Populisten. Deren vorwiegend männliche Wähler sind einem demografischen Syndrom zuzuordnen – mit geringer formaler Bildung, Fokussierung auf Boulevardmedien und volkstümliche Musik, Zukunfts- und EU-Skepsis sowie Misstrauen gegenüber den demokratischen Institutionen.

Kulturelle Diversität, Diskurs und Leidenschaft für Bildung, Wissenschaft und Zukunft gehören eher nicht dazu. Folgerichtig grenzt sich die heutige FPÖ gern gegen die Eliten und die Hautevolee ab. Eine verbale Kulturrevolution, die direkt die Wissenschaftler trifft. Das lässt nichts Gutes erahnen.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

Emails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2016)

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