Die schleichende Austrocknung der Wissenschaft in Österreich

57 Prozent der Österreicher halten es für unwichtig, etwas über Wissenschaft zu wissen. Super! Damit sind wir Europameister!

Wissenschaft hat hierzulande trotz anderslautender Lippenbekenntnisse keinen hohen Stellenwert. So ergab das Eurobarometer im Oktober, dass immerhin 57 Prozent der Österreicher es für unwichtig halten, etwas über Wissenschaft zu wissen. Super! Damit sind wir Europameister! Diese Einstellung scheint mittlerweile auch unsere Regierung erreicht zu haben.

Denn Anfang vergangener Woche verkündete man seitens des Wissenschaftsministeriums, alle Basissubventionen würden gestrichen. Na endlich, mag man denken, warum nicht in einem Bereich sparen, der ohnehin verdächtig klingt. Mit „Basissubvention“ könnte man kameralistische Verwaltung und gönnerhafte Vergabe von Mitteln an Parteifreunde nach heftigem Klinkenputzen im Ministerium assoziieren. Genau das wäre aber völlig daneben.

Ich unterstelle einmal, dass diese „gute Idee“ aus der Politik kam. Denn die ministeriellen Spitzenbeamten sind Spitzenleister, denen professionelles Interesse daran zu bescheinigen ist, die Wissenschaft in Österreich weiterzuentwickeln. In Kontinuität gleichen sie oft jene Schäden aus, die durch die „Kreativität“ der wechselnden Wissenschaftsminister angerichtet werden.

Tatsächlich ist die Forschungsdecke in Österreich dünn. Zu dünn für eine gedeihliche Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft. Die universitäre Forschung wird großteils vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert, was einigermaßen gut funktioniert. Ein erheblicher Teil der Forschung findet allerdings parallel dazu in etwa 50 Instituten statt, die weder vom Bund noch von Ländern betrieben werden. Das Spektrum reicht vom großen Institut für internationale Politik (OIIP) bis zur kleinen, aber sehr erfolgreichen Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau (KLF).

Jene etwa zehn Millionen Euro Basissubvention waren bisher exzellent investiert, weil diese relativ geringe Summe es ermöglichte, Forschungsmittel der EU oder des FWF in etwa zehnfacher Höhe für die Forschung zu lukrieren. Mit der radikalen Streichung der Basissubvention wurde ein Fundamentstein entfernt, der einen Teil des österreichischen Forschungsgebäudes zum Einsturz bringen wird. Das ist unklug und ausgesprochen kurzsichtig, ein Kahlschlag für einen eher lächerlichen Budgeteffekt. Aber Gleichgültigkeit und Unwissenheit der Öffentlichkeit verhindern offenbar einen Proteststurm.

Im Falle der KLF etwa klingt die Streichung der jährlichen Basissubvention von 9000 Euro nicht dramatisch. Das sind aber 20 Prozent jener Mittel, ohne die es unmöglich wäre, jährlich Forschungsgelder in der Höhe von etwa 200.000 Euro einzuwerben. Das finanziert eine Menge Wissenschaft und Jungwissenschaftler und wird in der strukturschwachen Region des inneren Almtals ausgegeben. Die so verloren gegangenen Mittel sind kaum ersetzbar und werden zu einer Verringerung der Wissenschaftsleistung führen. Die Streichung schädigt übrigens auch die Unis. Wie auch im Falle anderer Institute stellt die Uni Wien das Grundpersonal der KLF und schmückt sich somit auch mit deren guter Leistung.

Es sieht also nicht gut aus mit der Wissenschaft in Österreich. Statt der riesige Sekundärschäden anrichtenden Streichungen der Basissubventionen bedürfte es vielmehr endlich einer nationalen Kraftanstrengung!

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2010)

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