Mensch und Tier: Viechereien im Dienste der Gesundheit

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Wenn sich das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ über etwas lustig macht, dann muss schon was dran sein.

In der „Spiegel“-Ausgabe vom 18.4. berichtete Herr Guido Kleinhubert („Alpakas im Altenheim“) über den zweifelhaften Wert teurer Tiertherapien, dass nämlich dortzulande wuschelige Lamas durch Seniorenheime trotten, putzige Zwergschweine durch Krankenhäuser flitzen und schwerkranke Kinder um die ganze Welt zum Schwimmen mit Delfinen gekarrt werden. Das sei gut gegen alles und jedes, würden jene behauptet, die damit Geld scheffeln. Nachhaltigen Wirkungen? Fehlanzeige! Na ja.

Wahr ist, dass es sich bei der sogenannten „Delfintherapie“ um eine Hunderte-Millionen-Dollar-Abzocke handelt. Der Mythos des freundlich dreinschauenden Tieres wird heftig vermarktet, mit höchst zweifelhaften Ergebnissen. Wahr ist auch, dass die tiergestützten Aktivitäten boomen, und dass sich so manche inkompetente und raffgierige schwarze Schafe in der Herde tummeln. Vor allem aber ist wahr, dass Tiere als Lehrer- und Therapieassistenz wahre Wunderwirkungen entfalten.

Vielleicht wäre dem „Spiegel“-Schreiber bei minimaler Recherche der wissenschaftlichen Literatur nicht entgangen, dass Tiere Menschen kommunikativer machen, dass sie der Therapieresistenz von Kindern entgegenwirken, dass sie vor Altersdepression schützen etc. Hunde verbessern das Klassenklima und die Unterrichtsergebnisse. All das sehen paradoxerweise jene Schulmediziner nicht gern, die offenbar zu Kleinhuberts Informanten zählten. Auch die Pharmaindustrie jubelt nicht, bedeutet doch mehr Hund in der Therapie weniger geschluckte Pillen. Wozu ein Tier für ein hyperaktives Kind, es gibt ja Ritalin...

Hätte der Redakteur recherchiert, er wäre sicherlich auf einige große Studien des Gesundheitsökonomen Bruce Headey und seiner deutschen und chinesischen Partner gestoßen. Sie wiesen nach, dass das Zusammenleben mit einem Hund gesundheitsfördernd wirkt. Die Hundehalter in Deutschland, Österreich, Australien und China suchen etwa 15 Prozent weniger oft den Arzt auf als vergleichbare Kontrollgruppen, weil sie durch den Hundepartner objektiv gesünder sind und es auch bleiben, was den Gesundheitssystemen der Staaten jährlich Milliarden erspart.

Menschen sind „biophil“ angelegt, wie schon vor Jahrzehnten Edward Wilson bemerkt hat. Das tief verankerte Interesse des Menschen an der Natur ist eines seiner Alleinstellungsmerkmale; ja selbst die menschliche Religiosität entstand in der Tierbeziehung. Tiere, so James Serpell, wären Mittler zum Emotionalen, zum Unbewussten. Tatsächlich ist es vielen Menschen ein Anliegen, Kindern ein Grundbedürfnis, mit Tieren zu leben. Tierpartner aktivieren unser Beruhigungssystem. Schon Freud und C. G. Jung nützten ihre Hunde als emotionale und kommunikative Eisbrecher, wenn sie schwierige Klienten hatten. Verhaltensbiologen und Psychologen erklären zunehmend, warum das so ist.

An der Universität für Veterinärmedizin laufen gerade die Berufungsverhandlungen für vier Professuren, die ein von der Schweizer Messerli-Stiftung finanziertes Institut für Mensch-Tier-Beziehung bilden sollen. Tatsächlich besteht ein großes Bedürfnis nach einer universitären Verankerung der Forschung und Lehre zur Mensch-Tier-Beziehung. Man wird sehen, ob diese Institutsgründung zeigt, dass man die Zeichen der Zeit verstanden hat.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2011)

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